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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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kannst, was du hörst und siehst, und daß du aus freiem Willen zurückkehrst oder bei mir bleibst und mir hilfst.«
    »Gab es in meinem Leben einen Moment, in dem meine Seele direkt in den Himmel aufgestiegen wäre, vorbei an dir, vorbei an dem Wirbelsturm?«
    »Was glaubst du?«
    »Ich erinnere mich an etwas … damals, als ich noch lebendig war…«
    »Ja?«
    »Ein glückerfüllter Augenblick in meinem Dorf in Frankreich -mein Nicolas, mein guter Freund, und ich saßen im Wirtshaus zusammen und tranken und redeten. Und dann plötzlich dieser glückliche, strahlende Augenblick, in dem mir alles erträglich schien und wunderschön und bar jeden zukünftigen oder vergangenen Schreckens. Nur ein Augenblick, eine trunkene Sekunde. Ich habe es in einem meiner Bücher beschrieben, habe versucht, dieses Gefühl erneut heraufzubeschwören. Das war ein Augenblick, in dem ich alles vergeben, alles hätte geben können - in dem ich mir vielleicht nicht einmal meiner Existenz mehr bewußt war; alles, was ich wahrnahm, lag außerhalb meiner selbst, jenseits meines Ich. Was weiß ich! Wenn in dem Augenblick der Tod gekommen wäre -«
    »Doch was kam, war Furcht - Furcht, denn dir wurde klar, selbst wenn du in diesem Moment stürbest, gäbe es vielleicht keine Erkenntnis für dich, vielleicht wäre da nur das Nichts…«
    »… Ja. Und nun fürchte ich etwas noch Schlimmeres. Daß da ganz sicher etwas ist und daß das schlimmer sein könnte als das bloße Nichts.«
    »Mit deiner Vermutung hast du recht. Um im Menschen den Wunsch nach Vergessen hervorzurufen, braucht man kaum mehr als Daumenschrauben oder Nägel oder Feuer. Das ist nicht viel. Zu wünschen, daß man nie gelebt hätte, das stell dir vor.«
    »Ich kenne das Gefühl. Ich habe Angst, es abermals zu empfinden.«
    »Wenn du das fürchtest, bist du weise, doch es zeigt, daß du mehr denn je bereit bist für die Enthüllungen, die auf dich warten.«

Kapitel 21
    D er Sturm fegte über das steinige Feld, dann verebbte seine mächtige Zentrifugalkraft und entließ die Seelen, die sich mühsam freikämpften und menschliche Gestalt annahmen. Sie hämmerten an die Tore der Hölle oder wanderten entlang der unglaublich hohen Mauern, über die hinweg der flackernde Widerschein lodernder Feuer auf sie fiel. Sie suchten sich gegenseitig zu fassen oder sprachen beschwörend aufeinander ein.
    Alle Stimmen verloren sich im Getöse des Sturms. Seelen kämpften und mühten sich, andere stöberten suchend umher, als sei ihnen ein sehr kleiner Gegenstand verlorengegangen; schließlich hoben sie die Arme und überließen sich aufs neue der Gewalt des Wirbelsturms.
    Der dünne, blasse Umriß einer Frau streckte sich nach einer Schar weinend umherirrender Kleinkinder, um sie in die Arme zu schließen; manche von ihnen waren kaum alt genug, um aufrecht zu gehen. Vereinzelte Geister von Kindern streunten jämmerlich schluchzend umher.
    Wir näherten uns den Toren - schmalen, schlanken Bögen, die sich schwarz und spiegelglatt hoch hinaufschwangen, wie aus Onyx, von kunstfertigen Handwerkern des Mittelalters bearbeitet. Um uns herum herrschte leises, weinerliches Klagen. Von allen Seiten griffen Geisterfinger nach uns; Geflüster umschwirrte uns wie die Fliegen die Leichen auf dem Schlachtfeld. Geister zerrten an meinem Haar und meiner Kleidung.
    Helft uns, laßt uns ein, seid verflucht, verdammt, laß mich fort, befreie mich, sei verflucht auf ewig, seid verdammt, helft mir, Hilfe … ein anschwellender dröhnender Chor von Schmähungen.
    Ich mühte mich, freie Sicht zu gewinnen. Verletzlich wirkende Gesichter schwebten vor mir, Münder seufzten leidenschaftlich, trauervoll.
    Die Tore waren gar nicht massiv, sondern bloße Durchgänge. Und jenseits standen Hilfreiche Tote, wie es schien, von etwas dichterer Struktur, doch noch immer durchscheinend, nur etwas lebharter gefärbt und deutlicher wahrnehmbar. Sie winkten den verirrten Seelen, riefen sie beim Namen, brüllten lauthals über den heulenden Sturm hinweg, daß sie einen Weg hineinfinden müßten, daß hier nicht die ewige Verdammnis sei.
    Man hielt Fackeln hoch, auf den Mauerkronen brannten Laternen. Das Firmament wurde von Blitzen zerrissen, und gewaltige Funkenschauer aus modernen wie antiken Kanonen flogen hochauf. Der Gestank von Pulver und Blut lag in der Luft. Wieder und wieder flammten Lichter auf, wie ein zauberhaftes Feuerwerk zum Ergötzen eines Kaiserhofs des alten China. Dann wurde das Ganze
    abermals von eisiger Dunkelheit

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