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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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lebte, doch nun weiß ich, daß alles wahr ist, und bumm, peng, ein Blick auf diesen infernalischen Ort, und ich bin bereit! Ich würde nie wieder so handeln, und nun, bitte, laß mich schnell in den Himmel!«
    Ich gab keine Antwort.
    »Sollten denn alle einfach direkt in den Himmel kommen?« fragte er. »Ich meine, jeder?«
    »Nein. Das darf nicht sein«, sagte ich. »Kein Geschöpf wie ich, niemand, der andere Lebewesen gequält und getötet hat, niemand, der vorsätzlich Heimsuchungen von so schwerwiegenden Auswirkungen über die Menschen gebracht hat wie Seuchen oder Feuer oder Erdbeben. Das heißt also, niemand, der ein derartiges Unrecht verübt hat, daß es einer Naturkatastrophe vergleichbar oder schlimmer war. Wenn ein solcher Mensch sofort in den Himmel käme, das wäre ungerecht, zumindest solange er nicht weiß und versteht, was er getan hat, solange ihm die Einsicht in sein Tun fehlt! Der Himmel würde im Handumdrehen zur Hölle, wenn jede grausame, selbstsüchtige, bösartige Seele sofort in den Himmel käme. Ich möchte im Himmel nicht die ungeläuterten irdischen Monster treffen! Wenn es so einfach wäre, dann wäre das Leiden dieser Welt verdammt nahe -«
    »Verdammt nahe? Woran?«
    »Verdammt nahe dran, unverzeihlich zu sein«, flüsterte ich.
    »Und was wäre verzeihlich - vom Standpunkt einer Seele gesehen, die voller Schmerz und unklarer Vorstellungen starb? Einer Seele, die erkannte, daß Gott gleichgültig ist?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Als du die Ausgewählten Scheols beschriebst, diese erste Million Seelen, die du durch die himmlischen Tore führtest, da sprachst du nicht von geläuterten Ungeheuern, du schildertest Menschen, die Gott vergeben hatten, die mit Ihm versöhnt waren, trotz der Ungerechtigkeiten der Welt, oder?«
    »Das stimmt. Genau die hatte ich gefunden, und die konnte ich in voller Gewißheit durch die Himmelstore führen, ja.«
    »Doch es klang genau so, als seien diese Leute alle Opfer der göttlichen Ungerechtigkeit gewesen. Du meintest nicht die Seelen der Schuldigen, nicht wahr? Diejenigen, die wie ich sind - Missetäter, Gesetzesbrecher, diejenigen, die die Ungerechtigkeiten verübten.«
    »Glaubst du nicht, daß sie auch ihre Geschichte haben?«
    »Einige mögen Entschuldigungen haben, die in ihrer Dummheit, ihrer Einfalt, in ihrer Furcht vor der Obrigkeit verwurzelt sind. Was weiß ich. Aber allzu viele Sünder müssen wohl wie ich sein. Sie wissen um ihre Schlechtigkeit, und sie kümmern sich nicht darum. Sie tun, was sie tun, weil… weil sie es gerne tun. Ich mache gerne neue Vampire. Ich trinke gerne Blut. Ich töte gerne. Das war immer so.«
    »Ist das wirklich der Grund? Einfach weil du es gerne tust? Oder liegt es nicht eher daran, daß du zu einem perfekten, übernatürlichen Mechanismus mutiertest, der in Ewigkeit nach Blut verlangt und nur mit Blut gedeiht - aus dem Leben gerissen und in ein zwielichtiges Kind der Nacht verwandelt durch eine ungerechte Welt, die dir und deinem Schicksal genausowenig Beachtung schenkte wie einem Kind, das in der gleichen Nacht in Paris an Hunger starb?«
    »Ich will weder mein Tun rechtfertigen noch, was ich bin. Wenn du das von mir denkst, wenn du aus dem Grund möchtest, daß ich dir in der Hölle beistehe oder daß ich deshalb Gott anklage… dann hast du den Falschen erwischt. Ich verdiene es, für das, was ich anderen genommen habe, zu zahlen. Wo sind sie, die Seelen derer, die ich ermordet habe? Waren sie bereit, in den Himmel zu kommen? Sind sie zur Hölle gefahren? Oder haben sie ihre Persönlichkeit verloren und schweben immer noch in diesem Wirbelsturm zwischen Himmel und Hölle? Ich weiß, daß es dort Seelen gibt, ich habe sie selbst gesehen, die, die für sich noch nicht den richtigen Platz gefunden haben.«
    »Ja, das trifft zu.«
    »Es könnten die Seelen meiner Opfer sein! Ich bin die Verkörperung von Gier und Grausamkeit. Ich habe meine sterblichen Opfer so gierig verschlungen, wie man Speisen verschlingt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.«
    »Meinst du, ich wollte Rechtfertigung von dir?« fragte Memnoch. »Habe ich denn bisher irgendeine Gewalttat entschuldigt? Wie kommst du darauf, daß ich dich besser leiden könnte, wenn du deine Taten entschuldigen oder rechtfertigen wolltest? Habe ich jemals eine Handlung verteidigt, durch die jemandem Leid geschah?«
    »Nein, das nicht.«
    »Nun, was also?«
    »Was ist die Hölle, und wie kannst du sie führen? Du willst nicht, daß die Seelen büßen.

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