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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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herbeirufen‹.«
    Sie nickte, während sie mich ernst betrachtete. »Ja, das stimmt alles«, murmelte sie. »Er kreuzte meinen Weg, so könnte man sagen.« Sie dachte noch einmal über den Vorfall nach. »Aber ich sah Louis de Pointe du Lac schon häufiger. Ich war noch ein Kind, als ich ihn das erste Mal sah, und ich habe bisher noch nie darüber gesprochen.«
    Ich war sehr erstaunt. Ich hätte wissen müssen, dass sie gleich wieder eine Überraschung für mich bereit hatte. Ich bewunderte sie ungemein. Das konnte ich nicht verbergen. Mir gefiel ihre unprätentiöse Erscheinung in der weißen Baumwollbluse mit dem runden Ausschnitt und den schlichten kurzen Ärmeln sowie die Kette aus schwarzen Perlen um ihren Hals. Während ich in ihre grünen Augen schaute, war ich plötzlich von Scham erfüllt, weil ich mich ihr in dieser Gestalt offenbarte. Louis hatte mich nicht gezwungen, sie aufzusuchen. Ich war aus eigenem Antrieb gekommen. Aber ich habe nicht vor, gleich zu Anfang meiner Erzählung auf meinen Schamgefühlen herumzureiten.
    Nur eines lassen Sie mich sagen, nämlich, dass wir in der Talamasca mehr als einfach nur Kollegen gewesen waren. Wir waren Mentor und Schüler, ich und sie, und einstmals beinahe Liebende, für eine kurze Zeit. Ach, wie kurz diese Zeit gewesen war …
    Als sie zu uns kam, war sie noch ein Kind, ein Mädchen mit einem Achtelanteil afrikanischen Blutes, der ihr außerordentliche Schönheit verlieh. Sie entstammte einem entfernten Zweig der Mayfair-Sippe, jener weißen Hexen, die sie jedoch als Abkömmling des afro-amerikanischen Teils der Familie kaum kannte. Sie kam barfüßig in unser Mutterhaus in Louisiana marschiert und sagte: »Ich habe von euch gehört, ich brauche euch. Ich bin hellsichtig. Ich kann mit den Toten sprechen.« Das war nun wohl zwanzig Jahre her. Ich war damals der Generaloberst des Ordens und hatte mich in dem fest gefügten Leben eines gelehrten Gentleman in der Administration eingerichtet, mit allen Annehmlichkeiten und allen Nachteilen einer von Routine geleiteten Existenz. Mitten in der Nacht war ich von einem Telefonanruf geweckt worden. Er kam von meinem Freund und gelehrten Kollegen Aaron Lightner.
    »David«, sagte er, »du musst herkommen. Wir haben hier etwas ganz Besonderes. Eine Hexe mit solchen Fähigkeiten, dass mir die Worte fehlen. David, du musst sofort kommen …« Damals hatte ich vor niemandem größere Hochachtung als vor Aaron Lightner. Drei Personen habe ich in meinem Leben als Mensch und als Vampir geliebt, und einer davon war Aaron Lightner. Der zweite war - und ist - der Vampir Lestat. Lestat eröffnete mir durch seine Liebe das Übernatürliche und zerstörte mein Leben als Sterblicher. Lestat machte mich unsterblich und dazu für einen Unsterblichen außergewöhnlich stark, machte mich zu einem Unvergleichlichen unter den Vampiren. Und die dritte Person war Merrick Mayfair, obwohl ich me in Bestes getan hatte, um sie zu vergessen.
    Aber wir sprachen gerade von Aaron, meinem alten Freund Aaron mit dem welligen weißen Haar, den flinken grauen Augen und seinem Hang zu blauweiß gestreiften SeersuckerAnzügen. Und wir sprachen von ihr, Merrick, dem kleinen Mädchen von damals, das so exotisch wirkte wie die üppige tropische Flora und Fauna ihrer Heimat.
    »In Ordnung, alter Knabe, ich bin schon unterwegs. Aber hätte das nicht Zeit gehabt bis morgen früh?«, antwortete ich Aaron. Ich erinnere mich, wie schwerfällig und stur ich reagiert und wie gutmütig Aaron gelacht hatte.
    »David, alter Junge«, sagte er, »was ist mit dir los? Sag mir nicht, was du gerade machst. Lass mich raten! Du bist eingeschlafen, über irgendeinem Geisterbuch aus dem neunzehnten Jahrhundert, irgendetwas Tiefsinniges. Wahrscheinlich etwas von Sabine Baring-Gould. Und du bist bestimmt seit sechs Monaten nicht aus dem Mutterhaus rausgekommen, stimmt’s? Nicht mal für einen Lunch-Ausflug in die Stadt. Streite es bitte nicht ab! David, du benimmst dich, als wäre dein Leben schon vorbei.« Ich hatte gelacht. Aaron sprach so liebevoll! Ich hatte nicht Sabine Baring-Gould gelesen, aber es hätte sein können. Ich glaube, ich las gerade eine Geschichte von Algernon Blackwood, in der es um Übersinnliches ging. Und Aaron hatte mit seiner Einschätzung Recht gehabt: Ich hatte unsere heiligen Hallen seit sechs Monaten nicht mehr verlassen.
    »Wo ist dein Feuer geblieben, David? Wo ist dein Engagement?«, hatte Aaron drängend gefragt. »David, das Kind ist eine Hexe!

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