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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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zwei Stockwerke tiefer führten? Woher wusste ich, dass sich vier Stockwerke tiefer, am untersten Ende, eine dieser schrecklichen, mit Metallbeschlägen versiegelten Falltüren befinden würde? Bestürzt über diese Einflüsterungen aus der Welt der Träume fing ich zu zittern an, und der kalte Schweiß brach mir aus.
    Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der schwache, heimtückische, kühle Luftzug, der aus einer verschütteten Stelle beinahe im Zentrum des gewaltigen Steinhaufens nach oben drang. Wie schon zuvor brachen meine Visionen schlagartig ab, und wieder sah ich nur das böse Mondlicht, die lauernde Wüste und die ausgedehnte Anhäufung vorzeitlichen Mauerwerks. Ich stand nun etwas Wirklichem und Greifbarem gegenüber, auch wenn es von unendlichen Andeutungen nächtlicher Rätsel umweht war. Denn dieser Luftzug konnte nur eines bedeuten – ein verborgener Abgrund von erheblicher Größe lag unterhalb der an der Oberfläche verstreuten Blöcke.
    Mein erster Gedanke galt den finsteren Legenden der Eingeborenen über gewaltige unterirdische Hütten unter den Megalithen, wo Grauenhaftes sich zuträgt und stürmische Winde geboren werden. Dann kehrten die Gedanken an meine eigenen Träume zurück, und ich spürte, wie trübe Pseudo-Erinnerungen an meinem Geist zerrten. Was für ein Ort befand sich unter mir? Welchen vorzeitlichen, unvorstellbaren Quell uralter Mythen und quälender Albträume mochte ich hier entdecken?
    Ich zögerte nur einen Moment, denn es war mehr als nur Neugier und wissenschaftlicher Eifer, das mich antrieb und meine wachsende Furcht in Schach hielt.
    Ich schien mich fast automatisch zu bewegen, als sei ich die Marionette eines zwingenden Schicksals. Ich steckte die Taschenlampe in meine Hosentasche, und mit einer Kraft, von der ich nie geglaubt hätte, sie zu besitzen, zerrte ich ein titanisches Fragment nach dem anderen beiseite, bis ein starker Luftstrom aufstieg, dessen Feuchtigkeit in merkwürdigem Gegensatz zur trockenen Wüstenluft stand. Ein schwarzer, immer breiterer Spalt gähnte mir entgegen, und als ich schließlich jedes Bruchstück beiseitegewälzt hatte, das klein genug war, um es zu bewegen, strahlte das kränkliche Mondlicht auf eine Öffnung, die breit genug war, um mich aufzunehmen.
    Ich ergriff die Taschenlampe und richtete den hellen Strahl in das Loch. Unter mir befand sich ein Chaos aus eingestürzten Mauern, das in einem Winkel von ungefähr 45 Grad in nördlicher Richtung nach unten abfiel: offensichtlich die Folge eines lange zurückliegenden Einbruchs von oben.
    Zwischen dieser Oberfläche und dem Erdboden lag eine Schlucht undurchdringlicher Finsternis, an deren oberem Rand ich Spuren eines gigantischen, unter der Belastung eingebrochenen Gewölbes sah. Da schien es mir, als ruhe der Wüstensand unmittelbar auf einem Stockwerk eines titanischen Gebäudes aus der Frühzeit der Erdgeschichte – wie dieses sich durch die vielen Jahrtausende geologischer Konvulsionen hatte erhalten können, darüber konnte ich damals so wenig wie heute auch nur Mutmaßungen anstellen.
    Rückblickend erscheint mir der bloße Gedanke an einen unüberlegten einsamen Abstieg in einen derart dubiosen Abgrund – und das zu einem Zeitpunkt, da kein Mensch wusste, wo ich mich befand – als der Gipfel des Irrsinns. Vielleicht war es das auch – doch in jener Nacht machte ich mich ohne zu zögern auf den Weg nach unten.
    Wiederum verspürte ich diesen Lockruf, diesen verhängnisvollen Antrieb, der mich von Anfang an auf meinen Wegen geleitet zu haben schien. Ich schaltete die Taschenlampe in regelmäßigen Abständen aus, um die Batterie nicht zu erschöpfen, und begann eine wahnwitzige Kletterpartie den finsteren zyklopischen Hang unter der Öffnung hinab. Fand ich guten Halt für Hände und Füße, blickte ich nach vorne, hangelte ich mich hingegen an gefährlicheren Stellen entlang, wandte ich das Gesicht dem Megalithhaufen zu.
    Im Licht der Taschenlampe dräuten zu beiden Seiten unter mir Wälle aus gemeißeltem verfallenen Mauerwerk. Vor mir erstreckte sich nichts als tiefe Dunkelheit.
    Ich achtete während meines Abstiegs nicht auf die Zeit. Mein Geist war so besessen von rätselhaften Andeutungen und Bildern, dass alle objektiven Fragen in unerreichbare Ferne gerückt schienen. Körperliche Empfindungen waren abgestorben, und selbst die Furcht war nur mehr ein gespenstischer untätiger Wasserspeier, der mich drohend, aber ohnmächtig anglotzte.
    Schließlich

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