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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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erreichte ich einen ebenmäßigen Boden, der mit eingestürzten Blöcken, formlosen Steinfragmenten, Sand und allem möglichen Geröll bedeckt war. Zu beiden Seiten, vielleicht neun Meter voneinander entfernt, erhoben sich massive Mauern, die in gewaltigen Gratbögen ausliefen. Dass sie mit Reliefs bedeckt waren, konnte ich gerade eben noch erkennen, doch was diese Reliefs darstellten, lag außerhalb meiner Wahrnehmung.
    Am meisten fesselte mich das Deckengewölbe. Der Strahl meiner Taschenlampe reichte nicht bis zur Decke, aber die niedrigeren Teile der ungeheuren Bögen hoben sich deutlich ab. Und sie glichen auf’s Haar dem, was ich in zahllosen Träumen von der älteren Welt gesehen hatte. Zum ersten Mal fing ich wirklich zu zittern an.
    Hinter mir und hoch über mir kündete ein schwaches Strahlen von der fernen mondbeschienenen Welt da draußen. Eine vage Vorsicht ermahnte mich, es nicht aus den Augen zu verlieren, damit ich später den Rückweg finden würde.
    Ich näherte mich nun der Wand zu meiner Linken, wo die Spuren der Reliefs noch am deutlichsten zu sehen waren. Der geröllbedeckte Boden war beinahe so schwer zu bewältigen wie der Abstieg, aber ich vermochte, mir meinen Weg zu bahnen.
    An einer Stelle schob ich einige Blöcke beiseite und trat den Schutt weg, um einen Blick auf das Pflaster zu werfen, und ich erschauderte, weil mir die großen achteckigen Steine, deren gewölbte Oberfläche noch immer grob zusammenhielt, so verhängnisvoll vertraut erschienen.
    Als ich der Wand nahe genug war, ließ ich das Licht der Taschenlampe langsam und sorgfältig über die abgenutzten Reliefreste gleiten. Vor Zeiten hatte wohl Wasser die Sandsteinoberfläche bearbeitet, und es gab eigenartige Verkrustungen, die ich mir nicht erklären konnte.
    Stellenweise war das Mauerwerk sehr lose und verschoben, und ich fragte mich, über wie viele Äonen dieses urzeitliche verborgene Gebäude sich seine verbliebene Form den Verwerfungen der Erdkruste zum Trotz noch würde bewahren können.
    Doch es waren die Reliefs selbst, die mich am meisten erregten. Trotz ihres verwitterten Zustandes konnte man sie aus der Nähe vergleichsweise gut erkennen, und meine völlige, umfassende Vertrautheit mit allen Einzelheiten überstieg fast mein Vorstellungsvermögen. Dass mir dieses altehrwürdige Mauerwerk in groben Zügen vertraut war, war nicht gänzlich unwahrscheinlich. Diese Bauten hatten die Schöpfer gewisser Mythen so stark beeindruckt, dass sie in einen Zyklus kryptischer Überlieferungen eingewoben worden waren, von dem ich während meines Gedächtnisverlustes Kenntnis erlangt und der in meinem Unterbewusstsein sehr lebhafte Bilder ausgelöst hatte.
    Aber wie konnte ich mir die Tatsache erklären, dass jeder Strich und jede Spirale dieser merkwürdigen Muster mit dem, was ich seit mehr als einem halben Dutzend Jahren in Träumen sah, bis ins kleinste Detail übereinstimmte? Welche obskuren, vergessenen Werke der Meereskunde hätten jede winzige Schattierung, jede kleinste Nuance wiedergeben können, die Nacht für Nacht meine Traumvisionen so beharrlich, exakt und immer gleichbleibend heimsuchten?
    Denn es handelte sich weder um einen Zufall noch um eine entfernte Ähnlichkeit. Mit absoluter Sicherheit war der jahrtausendealte, seit Urzeiten verborgene Korridor, in dem ich stand, das Original von etwas, das mir im Schlaf so durch und durch vertraut war wie mein eigenes Haus in der Crane Street in Arkham. Zwar zeigten meine Träume den Ort im Zustand vor seinem Verfall, doch war die Übereinstimmung dadurch nicht weniger real. Ich wusste auf schreckliche Weise ganz genau, wo ich war.
    Das Gebäude, in dem ich mich befand, war mir bekannt. Ebenso bekannt war mir seine Lage in der fürchterlichen alten Stadt der Träume. Dass ich nun untrüglich irgendeine Stelle dieses Gebäudes oder dieser Stadt aufsuchen konnte, die dem Wandel und den Verheerungen zahlloser Zeitalter entgangen war, besaß für mich eine entsetzliche, instinktive Gewissheit. Was in Gottes Namen sollte dies alles bedeuten? Woher konnte ich das wissen, was ich wusste? Und welche fürchterliche Wahrheit verbarg sich hinter den uralten Sagen über Wesen, die dieses Labyrinth aus unermesslich alten Steinen bewohnt hatten?
    Mit Worten vermag ich nur, einen Bruchteil des Grauens und der Verwirrung zu vermitteln, die an meiner Seele nagten. Ich kannte diesen Ort. Ich wusste, was sich unter mir befand und was über mir gewesen war, ehe die unzähligen sich

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