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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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überreizten Nerven mit mir durchgegangen. Panisch war ich geflohen, war dabei häufig über halb begrabene Steine gestolpert, hatte mir dadurch die Kleider zerrissen und das Gesicht aufgeschnitten. Ich musste lange geschlafen haben, weil meine Abwesenheit Stunden gewährt hatte.
    Ob ich irgendetwas Seltsames gesehen oder erlebt hatte, darüber verlor ich kein Wort – und dabei musste ich mir ein Höchstmaß an Selbstbeherrschung auferlegen. Aber ich offenbarte meinen Geisteswandel im Hinblick auf die gesamte Expedition und forderte ein Ende aller Ausgrabungen in nordöstlicher Richtung.
    Meine Argumente dafür waren denkbar schwach – ich sprach von zu wenigen Steinblöcken, von dem Wunsch, nicht die Gefühle der abergläubischen Grabungsarbeiter zu verletzen, von einer möglichen Knappheit der von der Universität gestifteten Gelder und von anderen Dingen, die entweder unwahr oder irrelevant waren. Natürlich schenkte niemand meinen neuen Wünschen auch nur die geringste Aufmerksamkeit – nicht einmal mein Sohn, dessen Sorge um meinen Gesundheitszustand offensichtlich war.
    Am nächsten Tag stand ich auf und bewegte mich frei im Lager, nahm aber an den Ausgrabungen nicht teil. Ich fasste den Entschluss, um meiner Nerven willen baldmöglichst heimzukehren, und mein Sohn versprach mir, mich nach Perth – das 1.600 Kilometer in südwestlicher Richtung lag – zu fliegen, sobald er die Region, von der ich wünschte, dass man sie in Frieden ließ, vermessen hatte.
    Sollte das Ding, das ich gesehen hatte, so sann ich nach, noch sichtbar sein, so könnte ich eine spezifische Warnung aussprechen – auf die Gefahr hin, mich damit der Lächerlichkeit preiszugeben. Es war aber gut vorstellbar, dass die Arbeiter, die mit den örtlichen Überlieferungen vertraut waren, mich dabei unterstützen würden. Mir zuliebe führte mein Sohn noch am Nachmittag den Vermessungsflug durch; er überflog das gesamte Terrain, das ich vermutlich zu Fuß zurückgelegt hatte. Doch nichts von dem, was ich entdeckt hatte, war noch zu sehen.
    Es war dasselbe wie im Fall des ungewöhnlichen Basaltblocks – die Sandverwehungen hatten jede Spur verwischt. Einen Augenblick lang bedauerte ich, in meiner überwältigenden Angst einen gewissen erstaunlichen Gegenstand verloren zu haben – aber nun weiß ich, dass dieser Verlust ein Segen war. Ich kann immer noch davon ausgehen, dass mein ganzes Erlebnis bloß auf einer Sinnestäuschung beruhte – vor allem, falls – wie ich mit ganzem Herzen hoffe – jener teuflische Abgrund niemals gefunden wird.
    Am 20. Juli flog Wingate mich nach Perth, doch er selbst lehnte es ab, die Expedition aufzugeben und mit mir nach Hause zu fahren. Er blieb bis zum 25. bei mir, als das Dampfschiff nach Liverpool ausfuhr. Jetzt, in meiner Kajüte an Bord der Empress, geht mir die gesamte Angelegenheit wieder und wieder durch den Kopf, und ich habe mich entschlossen, dass ich zumindest meinen Sohn in Kenntnis setzen muss. Es soll ihm überlassen bleiben, ob er die Sache weiter bekannt macht oder nicht.
    Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, habe ich diesen zusammenfassenden Bericht über die Hintergründe – die anderen schon in unzusammenhängender Weise vertraut sind – vorbereitet und möchte nun so knapp wie möglich erzählen, was sich in jener scheußlichen Nacht während meiner Abwesenheit aus dem Lager vermutlich zugetragen hatte.
    Mit flatternden Nerven, von dem unerklärlichen, mit Furcht vermischten, aus Erinnerungen gespeisten Drang nach Nordosten zu einer perversen Bereitwilligkeit aufgestachelt, stapfte ich unter dem bösen, brennenden Mond voran. Hier und da sah ich die halb vom Sand verborgenen zyklopischen Blöcke aus unsagbar fernen Zeiten.
    Das unermessliche Alter und das lauernde Grauen dieser monströsen Wüste setzte mir mit einem Mal so zu wie nie zuvor. Ich konnte nicht anders, ich musste an meine wahnsinnigen Träume denken, an die abscheulichen Legenden, die dahinterstanden, und an die Angst der Eingeborenen und Arbeiter vor der Wüste und den reliefgeschmückten Steinen.
    Und doch stapfte ich weiter, als wäre ich zu einem grässlichen Stelldichein geladen – und mehr und mehr bestürmten mich bestürzende Visionen, Zwänge und Pseudo-Erinnerungen. Ich dachte an die möglichen Konturenlinien der Steinanlagen, wie mein Sohn sie aus der Luft gesehen hatte, und fragte mich, warum sie auf mich so bedrohlich und gleichzeitig vertraut wirkten. Irgendetwas rüttelte und zerrte an dem

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