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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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auftürmenden Geschosse zu Staub und Schutt und Wüste geworden waren. Es war nun nicht mehr nötig, dachte ich erschaudernd, den schwachen Schein des Mondlichtes im Auge zu behalten.
    Ich war hin und her gerissen zwischen dem Verlangen zu fliehen und einer brennenden Mischung aus Neugierde und getriebener Schicksalsergebenheit. Was war mit dieser ungeheuerlichen Megalopolis geschehen in den Millionen von Jahren, die seit der Zeit meiner Träume verstrichen waren? Was war nach all den Zuckungen der Erdkruste übrig geblieben von den unterirdischen Irrgärten, die die ganze Stadt durchzogen und jeden der titanischen Türme miteinander verbunden hatten?
    War ich auf eine ganze Welt unheiligen Alters gestoßen? Würde ich noch das Haus des Schreibermeisters finden oder den Turm, wo S’gg’ha, der gefangene Geist von den sternenköpfigen pflanzlichen Fleischfressern der Antarktis, bestimmte Bilder in die leeren Wände gemeißelt hatte?
    War im zweiten Stock der Durchgang zu der Halle der fremden Geister noch heil und passierbar? In jener Halle hatte der gefangene Geist eines außerordentlichen Wesens – ein halb körperlicher Bewohner des inneren Hohlraums eines unbekannten Planeten jenseits des Pluto achtzehn Millionen Jahre in der Zukunft – einen gewissen Gegenstand aufbewahrt, den er aus Lehm geformt hatte.
    Ich schloss die Augen und legte mir die Hand auf die Stirn – ein nichtiger, erbärmlicher Versuch, die wahnsinnigen Traumfragmente aus meinen Gedanken zu vertreiben. Dann fühlte ich zum ersten Mal, dass sich die kühle, feuchte Luft um mich her bewegte. Erschaudernd wurde mir bewusst, dass eine gewaltige Anzahl von seit Äonen toten schwarzen Abgründen irgendwo vor und unter mir klaffen musste.
    Ich dachte an die fürchterlichen Kammern und Korridore und Schrägebenen, wie ich sie in meinen Träumen gesehen hatte. Stand der Weg zu den Zentralarchiven noch offen? Erneut stachelte mich dieser schicksalhafte Zwang an, und ich erinnerte mich an die wundersamen Aufzeichnungen, die früher in den rechteckigen Nischen aus rostfreiem Metall aufbewahrt worden waren.
    Dort, so sagten die Träume und Legenden, hatte die gesamte Geschichte geruht, Vergangenheit und Zukunft des kosmischen Raum-Zeit-Kontinuums, niedergeschrieben von gefangenen Geistern von jedem Planeten und aus jedem Zeitalter des Sonnensystems. Das war natürlich Wahnsinn – aber war ich denn nicht in eine umnachtete Welt gestolpert, die ebenso wahnsinnig war wie ich?
    Ich dachte an die verschlossenen Metallregale und die eigenartigen Knäufe, mit denen man sie öffnen konnte. Mein eigenes Fach kam mir lebhaft in den Sinn. Wie oft hatte ich den Knauf in der Abteilung für irdische Wirbeltiere auf der untersten Ebene gedreht und gedrückt! Jede Einzelheit stand mir klar und vertraut vor Augen.
    Wenn es wirklich ein solches Gewölbe gab wie das, von dem ich geträumt hatte, dann würde ich es in wenigen Momenten öffnen können. Und da ergriff der Wahnsinn völlig Besitz von mir. Eine Sekunde später sprang und stolperte ich über das Felsgeröll in Richtung der Schrägebene in die unteren Geschosse, an die ich mich so gut erinnerte.
    VII
    Von diesem Zeitpunkt an kann man sich auf meine Eindrücke kaum mehr verlassen – und tatsächlich hege ich noch eine letzte verzweifelte Hoffnung, dass sie alle nichts anderes waren als Teile eines dämonischen Traums oder einer Halluzination. Ein Fieber wütete in meinem Hirn, und ich nahm alles nur durch eine Art Nebelschleier wahr – zuweilen bloß bruchstückhaft.
    Schwach durchschnitten die Strahlen meiner Taschenlampe die mich umgebende Finsternis, zeigten mir in gespenstischen Blitzen schrecklich vertraute Wände und Reliefs, alle vom Zahn der Zeit mitgenommen. An einer Stelle war ein Großteil der Gewölbedecke eingestürzt, und ich musste einen gewaltigen Steinhügel erklimmen, der fast bis zu den grotesken Stalaktiten der Decke reichte.
    Das alles war für mich der Gipfel des Albtraums und dieses Gefühl wurde noch durch die gotteslästerliche Dringlichkeit meiner Pseudo-Erinnerungen verschlimmert. Nur eines war mir unvertraut, und das war meine eigene Körpergröße in Relation zu dem ungeheuerlichen Mauerwerk. Mich bedrückte ein Gefühl ungewohnter Kleinheit, als sei der Anblick dieser hoch aufragenden Wände aus der Perspektive eines Menschen etwas gänzlich Neues und Abnormes für mich. Wieder und wieder blickte ich nervös an mir selbst hinab, und auf unklare Weise verstörte mich meine

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