Chronik einer Trennung (German Edition)
konnte, war die Tatsache, warum Christian noch immer mit Andreas sprach und ihm nicht schon längst eine geknallt hatte. Sie hatten sogar in der Frühstückspause zusammen gesessen! Aber dann kam sie zu dem Schluss, das lag sicher nur daran, dass Christian einfach viel zu nett war.
Im Unterricht hatte sie mit ihren Freundinnen über nichts anderes geredet, den ganzen Morgen. An Lernen war an diesem Tag nicht zu denken und spätestens in der 3. Stunde gab es niemanden mehr, der die Geschichte nicht kannte, zumindest nicht unter den Schülern in ihrem Jahrgang. Und alle waren sich dabei in ihrem Urteil einig: Maria war eine Schlampe und Andreas einfach nur ein verficktes Arschloch.
Doch sicher waren nicht nur Schüler an dieser spannenden Geschichte interessiert. Als Frau Esbel an Angelika vorbei ging, musste sie auch ihr diese unglaubliche Geschichte erzählen.
Sie folgte Frau Esbel ins Lehre rzimmer und fing an loszureden: Wie schrecklich Leid ihr der arme Christian tat, wie unmenschlich seine Freunde zu ihm waren und wie gerne sie Christian unterstützen würde, der offenbar aber keine Hilfe wollte. Als sie nämlich Christian darauf ansprechen wollte, ging er einfach davon, nachdem er ihr mit den Worten „Sie hat mich wegen Andreas verlassen“, nur bestätigte, dass die Geschichte wirklich so passiert war. Angelika wollte ihm doch nur sagen, er solle Andreas schlagen.
Leider wurde sie von Frau Esbel scho n nach kurzer Zeit unterbrochen:
„Ich habe besseres zu tun, bitte belästige mich damit nicht.“
Das war eine Reaktion, die Angelika überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Leider reagierte auch Herr Aschrub, den sie als nächsten ansprach, genauso abweisend. Offenbar hatten die Lehrer kein Interessiere an guten Geschichten wie diesen. Lehrer interessierten sich wohl wirklich nur für den langweiligen Kram, den sie den Schülern im Unterricht beibringen sollten.
Angelika wusste nicht, wem sie die Geschichte noch erzählen konnte, als ihr ihre Schwester einfiel, die sie schließlich anrief und ihr alles ausführlich auf inzwischen ausgedehnte fünfundzwanzig Minuten, auftischte. Ihre Schwester hörte ihr selbstverständlich gebannt zu und gab am Ende auch den gewünschten Kommentar ab:
„ Ohhh… wie asozial, der arme Junge.“
Auch nach der Mittagspause gab es kein anderes Thema und in ihrer Englischlehrerin, Frau Bendler, die sie in der 5. Stunde hatte, hatte sie endlich einen Lehrer, der sich ebenfalls dafür interessierte und sich dabei sogar Notizen machte.
Angelika mochte ihre Englischlehrerin.
Doch das war für Angelika noch nicht der schönste Moment an diesem Tag.
Als sie nach der Schule am Bahnhof saß, entdeckte sie Andreas und Maria. Sie saßen auf dem Bahnsteig gegenüber, zusammen, nebeneinander. Jetzt konnte sie Maria selbst ihre Meinung sagen.
„Du bist so gemein.“ , brüllte sie ohne Vorwarnung auf die andere Bahnhofsseite und erschreckte die Beiden.
Leider kam Angelikas Bahn, aber das hatte gesessen. Sie fühlte sich schon gleich fiel freier und konnte die Geschichte für einen Nachmittag loslassen. Morgen aber wollte sich in der Pause unbedingt noch einmal mit Christian unterhalten, um weitere, vielleicht noch intimere Details, zu erfahren.
* * *
Auszug aus dem Tagebuch von Christian P. (48 Stunden nach der Trennung)
Habe lange nicht mehr hier hinein geschrieben.
Heute geht es mir etwas besser. Werde gleich lernen.
Maria hat immer noch nicht auf meine letzte E-Mail geantwortet. Sie fehlt mir sehr.
Okay, sie hat mich sicher nicht immer wirklich glücklich gemacht, hat mich unter Druck ge setzt, gestresst, dazu gebracht Dinge zu tun, die ich sonst ablehnen würde, von meinem eigentlichen Charakter her - meinen Eltern widersprechen, weniger lernen, meine Meinung äußern. Trotzdem war sie mir eine Stütze, egal was sie getan hat, wie viele schlaflose Nächte sie mich auch gekostet hat, egal wie sehr sie auf mir rumgetrampelt hat.
Es ist vielleicht nicht einma l, dass sie mich verlassen hat und ich sie jetzt nicht mehr habe, sondern vielmehr, dass ich niemanden habe, der/die diese Stütze ersetzen könnte und auch keine Aussicht darauf habe, eine solche Person in nächster Zeit zu finden.
Auszug aus dem Tagebuch von Christian P. (70 Stunden nach der Trennung)
Heute, als ich nach Hause kam, habe ich eine E-Mail von Maria bekommen , in der sie mir unterstellt, Gerüchte über sie und Andreas in Umlauf zu bringen!!!! Dass sie mir das nach vierzehn Monaten
Weitere Kostenlose Bücher