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Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Titel: Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Lake
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Traum, der beim Aufwachen vergeht. Etwas war ihm an Orgrim aufgefallen, etwas, was ihn am Rand seines Bewusstseins drückte und stach wie ein Dorn im Schuh. Hatte es damit zu tun, wie Orgrim den Ratssaal betreten hatte, oder mit der Art, wie er redete?
    Adrian vergegenwärtigte sich die hochgewachsene Gestalt in dem blutfarbenen Mantel. Wegen der übergestülpten Kapuze hatte er Orgrim nicht einmal richtig gesehen. Trotzdem war er ihm seltsam vertraut vorgekommen. Lag es nur daran, dass er wie Adrian ein Dunkelauge war? So sehr Adrian davor zurückschreckte, etwas mit diesem Menschen gemein zu haben, vielleicht war die gemeinsame Gabe ein stärkeres Band als Verwandtschaft oder die Gefolgschaft zu einem sterblichen König. Doch hatte Orgrim gelogen, als er zu Beotrich gesagt hatte, er habe durch Adrians Augen gesehen und seine Gedanken gelesen. Er hatte es versucht und war gescheitert und musste wissen, dass auch Adrian ein Dunkelauge war.
    Ein Kratzen an der Zellentür riss ihn aus seinen Gedanken. Holten sie ihn jetzt schon zu seiner Hinrichtung ab? Er versuchte das Zittern in seinen Armen und Beinen zu unterdrücken. Sie sollten ihn nicht für einen Feigling halten.
    Etwas schlug gegen die Zellenwand, dann war alles still. Adrian hielt die Luft an und schickte sein Bewusstsein wieder nach draußen. Er sah durch ein Augenpaar. Die Augen waren auf einen Wächter gerichtet, der mit einem Pfeil im Herzen tot auf dem Boden lag. Er spürte die jähe Angst des Mannes, durch dessen Augen er sah, als plötzlich die Klinge eines Messers auf ihn zuflog.
    Dann hatte er selbst Angst. Ein Tier, das im Begriff ist zu sterben … es hätte dir für immer das Augenlicht rauben können! Er zog sich so schnell zurück, dass er das Gleichgewicht verlor und sich die Zellenwände um ihn drehten. Die Zellentür flog auf und in ihr stand Cluaran.
    Noch ehe Adrian etwas sagen konnte, zerrte der Sänger eine tote Wache in die Zelle und forderte Adrian mit einer Handbewegung auf, ihm mit der zweiten zu helfen. Anschließend drückte er Adrian Bogen und Köcher der Wache in die Hände und spähte vorsichtig durch die Tür nach draußen.
    »Die Luft ist rein«, flüsterte er. »Komm.«
    Er sperrte die Zellentür hinter ihnen ab und lief so rasch los, dass Adrian Mühe hatte, ihm zu folgen. Sie eilten an den Häusern der Reichen mit ihren hohen Giebeln vorbei, in denen Haussklaven den Boden fegten und Wasser holten, und gelangten in ein ärmeres Stadtviertel. Es war Nachmittag und auf den Straßen tummelten sich eine Menge Händler. Frauen trugen Brotlaibe und Männer schoben mit Fässern beladene Karren.
    Cluaran schlüpfte in eine Scheune. Keuchend sank Adrian auf einen modrigen Heuhaufen.
    »Wie habt Ihr mich gefunden?«, krächzte er. »Orgrim lässt Euch von seinen Wächtern überall suchen.«
    Cluaran lächelte. »Die sind leicht in die Irre zu führen. Sie durchsuchen gerade ein Hühnerhaus auf der anderen Seite der Stadt. Da fliegen bestimmt viele Federn.«
    Adrian sah ihn verblüfft an. Der Sänger schien die Verfolgungsjagd geradezu zu genießen.
    »Wir müssen Elsa suchen!«, platzte er heraus. »Orgrim hat sie mitgenommen.«
    Er erzählte von dem Prozess und die Miene des Sängers verdüsterte sich. »Närrin!«, murmelte er. »Warum hat sie das Schwert nicht benützt?«
    Adrian hob wütend den Kopf. »Als die Wächter Euch auf dem Platz festhielten, hat sie es benützt, sonst wäre sie jetzt nicht gefangen.«
    »Stimmt«, sagte Cluaran leise. »Dann ist es jetzt an mir, die beiden zu befreien.«
    Adrian runzelte die Stirn. Die beiden? Meinte Cluaran Elsa und das Schwert?
    Cluaran sprang auf und ging die Scheune auf und ab. »Wo könnte er sie hingebracht haben?«, murmelte er. »Ich kenne die Stadt gut, aber von einer steinernen Zelle habe ich nie gehört.« Er stand so plötzlich vor Adrian, dass dieser erschrocken einen Schritt zurücktrat.
    »Ich weiß, du kannst nicht durch Elsas Augen sehen«, sagte der Sänger. »Das Schwert verhindert es. Aber du könntest Orgrims Augen benützen.« Adrian wollte etwas einwenden, doch der Sänger fuhr fort: »Ich weiß, es ist für ein Dunkelauge nicht leicht, mit den Augen eines anderen Dunkelauges zu sehen. Aber du bist stärker als die meisten Dunkelaugen. Willst du es versuchen?«
    Wieder tobte der Sturm in Adrians Kopf und wieder hing er zwischen dem Drachen und dem tobenden Meer in der Luft.
    Nein! Nicht Orgrims Augen. Jeder andere Kopf in Venta war ihm lieber – alles, was Augen zum

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