Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
wie einen verwundeten Vogel abstürzen.
Sie fand gerade noch Zeit für ein Stoßgebet für Adrian, dann krampfte sich der Leib des Drachen erneut zusammen und sie wurde durch die Luft geschleudert. Sie flog hin und her und bekam den Kampf nur in Ausschnitten mit. Schwarzes Blut sprudelte aus der Brust des Drachen. Cathbar stand nur noch mit den Füßen auf dem Seil. Er hatte sich gefährlich weit über die Schulter der Bestie gebeugt und versuchte, mit dem Schwert den Hals des Drachen zu erreichen. Dann bog der Drache seinen gewaltigen Kopf nach unten und versperrte ihr die Sicht.
Der Drache versuchte, mit dem Kopf an seine Brust zu kommen, und einen kurzen Augenblick lang sah Elsa seinen aufgesperrten Rachen sowie ein rauchendes Nasenloch und ein riesiges Auge. Sie hätte schwören können, dass das Auge sie anstarrte. Abgrundtiefer Hass schlug ihr daraus entgegen: Du entkommst mir nicht!
»Schwert!«, flüsterte sie in Panik, und das Schwert wand sich in ihrer Hand und pulsierte im Rhythmus ihres Blutes. Doch sie konnte den Arm nicht heben. Die Krallen des Drachen drückten sie so fest zusammen, dass sie kaum Luft zum Atmen bekam.
Der Drache hatte nun herausgefunden, woher seine Schmerzen kamen. Er hob den Kopf und blies einen Strom blauen Feuers über seine Schulter. Cathbar warf sich zur Seite. Seine Kleider brannten. Das verkohlte Ende des Seils flog durch die Luft und der Drache bog den Kopf nach hinten, um Cathbar von seiner Schulter zu reißen. Zuletzt sah Elsa noch, wie Cathbar zum entscheidenden Hieb ausholte, dann versperrte der Drache ihr wieder die Sicht.
Der Drache brüllte, und die Klauen, die Elsa festhielten, öffneten sich. Ihr Arm war so taub, dass sie nicht wusste, wie sie ihn bewegen sollte, doch sie führte mit der Kraft der Verzweiflung einen Schlag gegen das Bein. Unter sich sah sie Cathbar fallen. Eine blaue Feuerspur folgte ihm wie der Schweif eines Kometen. Dann stürzte sie ihm nach. Sie überschlug sich dabei unablässig, das Schwert blitzte in ihrer Hand auf und der Wind pfiff ihr in den Ohren. Dann wurde alles um sie herum weiß.
2. KAPITEL
Die kamen zu dritt im Winter an meine Tür. Aus ihrem Auftreten und ihrer Körpergröße schloss ich, dass sie zu den Fay gehörten.
Sie wussten, dass mein sterblicher Vater Schmied gewesen war – damals, bevor ihre Leute mich geraubt hatten –, und sie sprachen mich mit dem Namen an, den die Fay mir gegeben hatten: Brokk, der Zwerg, weil ich so viel kleiner war als sie. Sie sprachen auch von anderen Dingen, von Dingen, welche die Fay, wie ich glaubte, eigentlich vergessen wollten: wie sie mich vertrieben hatten, als ich herangewachsen war und das Eisen in meinem Blut zu stark für sie wurde, und wie ich mir die Schönste ihrer Töchter zur Frau genommen hatte.
»Was wollt ihr von mir?«, fragte ich.
»Du musst ein Schwert schmieden«, sagten sie.
Adrian schlug die Augen auf. Über ihm leuchtete hellblau der Himmel, um ihn ragten raue weiße Wände auf und bittere Kälte schnitt ihm ins Gesicht. Seine Hand schloss sich um etwas Weiches, Kaltes: Schnee! Er lag auf dem Rücken im Schnee, der so tief war, wie er es noch nie erlebt hatte. Er versank förmlich im Schnee. Wo war er?
Adrian wollte sich aufsetzen, spürte aber stechende Schmerzen, gefolgt von Panik, denn die Schneewände begannen einzustürzen. Eine weiche schwere Masse regnete auf ihn nieder und bedeckte sein Gesicht. Verzweifelt versuchte er sich zu befreien und den Schnee mit den Händen abzuwehren. Zuletzt steckte er mit dem ganzen Körper im Schnee und konnte nur noch oben den Kopf hinausstrecken. Er spuckte den Schnee aus, der ihm in Mund und Nase gedrungen war. Um ihn erstreckte sich eine weiße Wüste, die in der einen Richtung bis zum Horizont reichte und in der anderen von einem schwarzen Wald begrenzt wurde. Geradeaus vor ihm ging zwischen kahlen zerklüfteten Bergen die Sonne auf. Verwirrt starrte er einen Augenblick darauf.
Dann sah er den Drachen.
Er kam aus dem Nichts auf ihn zu, ein riesiger wellenförmig gekrümmter Rumpf, dessen Schuppen vor dem hellen Himmel blauschwarz glitzerten. Adrian erkannte ihn sofort: Taragor. Taragor, der Feind der Menschen, der Elsa Schiff und Vater genommen und damit auch Adrians Leben eine schicksalhafte Wendung gegeben hatte. Und dann hatte der Drache ihn aus der Halle des Königs in Venta Bulgarum entführt. Dabei war er schon fast zu Hause gewesen! Er erinnerte sich noch, wie er in den Nachthimmel emporgerissen worden
Weitere Kostenlose Bücher