Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
blinzelte. »Ihr Bruder?«
»Sie haben gesagt, wenn ich Ihnen Informationen über die Dunklen Schwestern liefere, würden Sie mir helfen, meinen Bruder zu finden. Und ich habe Ihnen alles erzählt, was ich weiß, aber noch immer keine Ahnung, wo Nate ist.«
»Oh.« Charlotte lehnte sich zurück und wirkte fast erschreckt. »Natürlich. Gleich morgen werden wir unsere Nachforschungen über seinen Verbleib einleiten«, versicherte sie Tessa. »Wir beginnen bei seiner Arbeitsstätte und werden mit seinem Arbeitgeber sprechen, um herauszufinden, ob dieser irgendwelche Informationen besitzt. Sie müssen wissen, dass wir über weitreichende Kontakte verfügen, Miss Gray. Die Schattenwelt ist eine ebensolche Gerüchteküche wie die Welt der Irdischen. Letztendlich werden wir jemanden aufspüren, der etwas über Ihren Bruder weiß.«
Als das Dinner kurz darauf beendet war, erhob Tessa sich vom Tisch und entschuldigte sich, innerlich sehr erleichtert. Charlottes Angebot, sie zu ihrem Zimmer zu begleiten, lehnte sie dankend ab. Sie wollte allein sein, um ihre Gedanken zu ordnen.
Während sie langsam durch den Flur ging, der von Fackeln erleuchtet war, erinnerte sie sich an den Tag, an dem sie in Southampton das Schiff verlassen hatte. Sie war nach England gekommen, wo sie niemanden außer ihrem Bruder kannte, und sie hatte zulassen müssen, dass die Dunklen Schwestern sich ungehindert ihrer Hilfe bedienten. Nun war sie auf die Schattenjäger gestoßen ... doch wer konnte schon sagen, ob diese sie besser behandeln würden? Genau wie die Dunklen Schwestern wollten diese Nephilim etwas von ihr - Informationen, die sie besaß. Und nun, da sie ihre Fähigkeit kannten, stellte sich lediglich die Frage, wie lange es wohl dauern würde, bis sie diese Gabe für ihre Zwecke zu nutzen versuchten.
Tief in Gedanken versunken, ging Tessa weiter und wäre fast gegen eine Wand gestoßen. Erst kurz davor hielt sie erschrocken inne und schaute sich stirnrunzelnd um. Sie lief nun schon viel länger durch dieses Haus, als sie beim Hinweg mit Charlotte benötigt hatte, aber ihr Zimmer hatte sie noch immer nicht gefunden. Genau genommen war sie sich nicht einmal sicher, ob sie den richtigen Flur gefunden hatte. Sie befand sich zwar in einem Gang, der von Fackeln beleuchtet wurde und an dessen Mauern üppige Wandteppiche hingen, aber handelte es sich auch um den Korridor, von dem ihr Zimmer abging? Einige Flure waren hell erleuchtet, andere wirkten eher düster, je nach Intensität der Fackeln an den Wänden. Manchmal flackerten die Fackeln kurz auf und erloschen dann zu einem schwachen Glimmen, sobald sie an ihnen vorbeigegangen war - als reagierten sie auf einen bestimmten Anreiz, den Tessa aber nicht erkennen konnte. Und nun befand sie sich in einem Korridor, der ihr besonders dämmrig erschien. Vorsichtig tastete sie sich bis zum Ende des Ganges, wo er sich in zwei weitere, identische Flure aufgabelte.
»Verirrt?«, erkundigte sich plötzlich eine Stimme hinter ihr - eine schleppende, leicht amüsiert wirkende Stimme, die Tessa sofort wiedererkannte.
Will.
Tessa drehte sich um und sah, dass er direkt hinter ihr lässig an der Wand lehnte, einen Fuß achtlos über den anderen geschlagen. In der Hand hielt er seinen leuchtenden Stein, den er einsteckte, als Tessa ihn anschaute.
»Sie sollten mir wirklich erlauben, Sie ein wenig herumzuführen, Miss Gray«, schlug er vor. »Damit Sie sich hier im Institut nicht wieder verlaufen.«
Aufgebracht musterte Tessa ihn mit zusammengekniffenen Augen.
»Natürlich können Sie auch einfach weiter umherirren, wenn Sie es wünschen«, fügte er hinzu. »Allerdings muss ich Sie warnen, dass es in diesem Institut mindestens drei oder vier Türen gibt, die Sie auf keinen Fall öffnen sollten. Da wäre beispielsweise die Tür, die zu dem Verlies führt, in dem wir verhaftete Dämonen gefangen halten. Und die können wirklich sehr unangenehm werden. Dann wäre da noch die Waffenkammer: Einige der dortigen Waffen sind verdammt scharf und besitzen einen ganz eigenen Willen. Nicht zu vergessen die Türen, hinter denen sich nichts als Luft befindet. Sie dienen zur Verwirrung von Eindringlingen, aber wenn man sich in den oberen Geschossen einer ehemaligen Kirche bewegt, möchte man nun wirklich nicht versehentlich in einen solchen Raum geraten und das Gleichgewicht verlieren ...«
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Tessa. »Sie sind ein schlechter Lügner, Mr Herondale. Dennoch ...« Sie unterbrach sich und
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