Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
die Wünsche einiger Clubmitglieder bedienen, welche einen etwas ... fragwürdigen Geschmack haben. Dämonen-Drogen, Schattenwelt-Huren und dergleichen.«
»Und was ist mit den Automaten?«
Lady Belcourt winkte gelangweilt ab. »Falls de Quincey eine Vorliebe für Uhrwerkteile hegen sollte, so ist mir darüber jedenfalls nichts bekannt. Um ehrlich zu sein, Charlotte: Als Sie mich vorhin kontaktierten, hatte ich zunächst nicht die Absicht, Ihnen überhaupt irgendwelche Informationen zu geben. Es ist eine Sache, mit dem Rat ein paar Schattenweltgeheimnisse zu teilen, aber etwas völlig anderes, den mächtigsten Vampir Londons zu hintergehen. Ich habe meine Meinung erst geändert, als ich von Ihrer kleinen Gestaltwandlerin erfuhr.« Sie heftete ihre grünen Augen auf Tessa und lächelte. »Eine gewisse Familienähnlichkeit ist nicht zu leugnen.«
Tessa starrte sie an. »Ähnlichkeit mit wem?«
»Nun, mit Nathaniel, natürlich. Ihrem Bruder.«
Tessa hatte das Gefühl, als hätte man ihr plötzlich eiskaltes Wasser in den Kragen geschüttet. Sie richtete sich hellwach auf »Sie haben meinen Bruder gesehen?«
Lady Belcourt verzog die roten Lippen zu einem Lächeln - dem Lächeln einer Frau, die wusste, dass sie die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden besaß. »Ich bin ihm ein paar Mal im Pandemonium Club begegnet«, erklärte sie. »Der Ärmste hatte diese unglückselige Ausstrahlung eines Irdischen, der unter einem Zauber steht. Wahrscheinlich hat er dort sein gesamtes Hab und Gut verspielt - wie es in der Regel bei allen irdischen Besuchern des Clubs der Fall ist. Charlotte sagte mir, dass die Dunklen Schwestern ihn in ihre Gewalt gebracht haben. Das überrascht mich nicht. Die beiden lieben es, Irdische in die Schuldenfalle zu locken und das Geld dann auf äußerst abstoßende Weise einzufordern ...«
»Aber lebt er noch?«, hakte Tessa nach. »Haben Sie ihn noch lebend gesehen?«
»Ja. Unsere letzte Begegnung liegt zwar schon ein paar Tage zurück, aber da war er jedenfalls noch ziemlich lebendig.« Lady Belcourt wedelte gelangweilt mit der Hand, die durch den scharlachroten Handschuh den Eindruck erweckte, als sei sie in Blut getaucht. »Um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren: Haben Sie gewusst, Charlotte, dass de Quincey in seinem Stadthaus am Carleton Square regelmäßig Soireen veranstaltet?«
Charlotte nahm die Hände von der Rückenlehne. »Es ist mir gerüchteweise zu Ohren gekommen.«
»Bedauerlicherweise hat de Quincey es versäumt, unsere Namen auf die Gästeliste zu setzen. Aber vielleicht ist seine Einladung ja auch mit der Post verloren gegangen«, bemerkte Will.
»Bei diesen Abendgesellschaften werden Menschen gefoltert und getötet«, fuhr Lady Belcourt ungerührt fort. »Ich glaube, ihre Leichname werden in der Themse entsorgt, wo sich dann die Gassenjungen um die angeschwemmten Überreste streiten dürfen. Nun, Charlotte, haben Sie davon ebenfalls gewusst?«
Selbst Will wirkte betroffen und Charlotte erwiderte bestürzt: »Aber es ist den Kindern der Nacht gesetzlich verboten, Menschen zu töten ...«
»Und de Quincey verachtet das Gesetz. Er veranstaltet diese Soireen nicht nur aus purer Lust am Töten, sondern auch deshalb, weil ihm dies die Gelegenheit bietet, die Nephilim zu verspotten.«
Charlottes Lippen wirkten blass und blutleer. »Wie lange geht das schon so, Camille?«
Das war also ihr Vorname, dachte Tessa. Camille. Ein französisch klingender Name; das erklärte möglicherweise auch ihren Akzent.
»Wenigstens ein Jahr. Vielleicht auch länger«, erklärte die Vampirin in kühlem, gleichgültigem Ton.
»Und Sie erzählen mir erst jetzt davon, weil ...?« Charlotte klang gekränkt.
»Weil die Preisgabe von Geheimnissen des Lords von London mit dem Tode bestraft wird«, erwiderte Camille und ihre grünen Augen verdüsterten sich. »Außerdem hätte Ihnen dieses Wissen nichts genutzt, selbst wenn ich Ihnen davon erzählt hätte. De Quincey ist einer Ihrer Verbündeten. Sie haben keinerlei Handhabe, einfach in sein Haus einzudringen, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Verbrecher. Nicht ohne Beweise für ein Vergehen seinerseits. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss im Rahmen des neuen Abkommens ein Vampir auf frischer Tat ertappt werden, wie er einem Menschen Schaden zufügt. Erst dann können die Nephilim einschreiten, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Charlotte widerstrebend. »Aber wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, eine dieser
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