Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
verlangt es Benedict nun einmal - Dämoninnen.«
Plötzlich hörte Tessa wieder Wills Worte: Es würde mich wundern, wenn die nächtlichen Besuche des alten Lightwood in einem gewissen Etablissement in Shadwell ihm nicht eine hässliche kleine Ansteckung mit Dämonenpocken beschert hätten. »Igitt«, murmelte sie.
»In der Tat«, bestätigte Nate. »Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, wie anmaßend und arrogant sich die Nephilim geben. Ich frage mich oft, warum Mortmain ihm so sehr gewogen ist und ihn unbedingt im Londoner Institut sehen will«, fügte er gereizt hinzu.
Obwohl Tessa längst geahnt hatte, dass Mortmain hinter Benedicts wilder Entschlossenheit steckte, Charlotte aus dem Institut zu verdrängen, traf sie die Bestätigung ihres Verdachts dennoch wie ein Schlag. »Ich verstehe einfach nicht, welchen Nutzen der Magister sich davon verspricht«, nörgelte sie in Jessamines typischem, quengeligem Tonfall. »Es ist doch nur ein großes, muffiges, altes Gebäude ...«
Nate lachte nachsichtig. »Ihn interessiert doch nicht das Gebäude, mein kleines, dummes Gänschen. Es geht ihm um die Position. Der Leiter des Londoner Instituts ist einer der mächtigsten Schattenjäger in ganz England und der Magister dirigiert Benedict wie eine Marionette. Durch ihn kann er die Schattenjägerkongregation von innen heraus zersetzen, während seine Klockwerk-Armee sie von außen zerstört.«
Mit Schwung wirbelte er sie im Kreis, so wie der Tanz es erforderte, und nur das jahrelange Training mit ihrem Bruder verhinderte, dass Tessa das Gleichgewicht verlor. Denn seine Worte schockierten sie zutiefst.
»Außerdem stimmt es nicht ganz, dass sich im Institut nichts Bedeutsames befindet«, fuhr Nate fort. »Allein schon der Zugang zur Bibliothek wird für den Magister von unschätzbarem Wert sein. Ganz zu schweigen von der Waffenkammer ...«
»Und Tessa.« Sie musste sich zusammenreißen, damit ihre Stimme nicht zitterte.
»Tessa?«
»Deine Schwester. Der Magister will sie doch noch immer in die Finger bekommen, oder nicht?«
Zum ersten Mal betrachtete Nate sie mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht. »Aber das haben wir doch schon besprochen, Jessamine«, sagte er erstaunt. »Tessa wird wegen illegalen Besitzes schwarzmagischer Objekte verhaftet und in die Stadt der Stille verbannt. Von dort wird Benedict sie holen und anschließend dem Magister übergeben. Das Ganze ist Teil der Vereinbarung, die die beiden getroffen haben, obwohl mir immer noch nicht klar ist, welchen Nutzen Benedict daraus zieht. Allerdings muss es sich um etwas ziemlich Wichtiges handeln, da er sich sonst wohl kaum derart bereitwillig gegen seine eigenen Leute wenden würde.«
Verhaftet? Wegen illegalen Besitzes schwarzmagischer Objekte? Tessa schwirrte der Kopf.
Nates Hand stahl sich in ihren Nacken, und obwohl ihr Bruder Handschuhe trug, hatte Tessa das Gefühl, als würde irgendetwas Schleimiges ihre Haut berühren. »Meine kleine Jessie«, murmelte er. »Du verhältst dich fast so, als hättest du deine eigene Beteiligung an diesem Plan völlig vergessen. Aber du hast doch das Weiße Buch im Zimmer meiner Schwester versteckt, so wie wir es vereinbart haben, oder etwa nicht?«
»Na ... natürlich! Ich habe nur gescherzt, Nate.«
»Gut. Braves Mädchen.« Er beugte sich vor. Seine gesamte Körperhaltung deutete daraufhin, dass er sie jeden Moment küssen würde - ein höchst unschickliches Benehmen, aber was konnte an diesem Ort schon als schicklich gelten ...
In heller Panik stieß Tessa hervor: »Nate, mir ist nicht ganz wohl. Ich fühle mich so schwindlig ... Ich glaube, das kommt von der Hitze hier im Saal. Wärst du so gütig und würdest mir eine kühle Limonade holen?«
Einen Moment lang schaute er zu ihr hinunter; sein Mund formte sich vor unterdrücktem Ärger zu einem dünnen Strich. Doch Tessa wusste, dass er sich nicht weigern konnte. Kein Gentleman würde eine solche Bitte abschlagen. Und tatsächlich richtete er sich auf, wischte sich ein imaginäres Staubkorn vom Ärmel und lächelte. »Selbstverständlich, meine Liebe«, sagte er mit einer Verbeugung. »Doch lass mich dich erst zu einem Sessel begleiten.«
Tessa protestierte, aber Nates Hand lag bereits an ihrem Ellbogen und er führte sie zu einer Reihe von Polsterstühlen an einer der Wände. Nachdem er sie dort abgesetzt hatte, machte er kehrt und verschwand in der Menge. Tessa schaute ihm nach; sie zitterte am ganzen Körper. Schwarze Magie.
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