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Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince

Titel: Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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erfasste - eine solch heftige Sinneswahrnehmung, dass es sie förmlich aus dem Leib des alten Mannes herauskatapultierte, zurück in ihren eigenen Körper.
    Der Knopf rutschte ihr aus der Hand und traf mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Tessa hob den Kopf und schaute in den Spiegel über ihrer Frisierkommode: Sie war wieder sie selbst und der bittere Geschmack im Mund stammte von dem Blut, das aus ihrer aufgebissenen Lippe quoll.
    Schwerfällig stand sie auf, wankte mit zittrigen Beinen zum Fenster und stieß es auf, um die kühle Nachtluft auf ihrer schweißfeuchten Haut zu spüren. Tiefe Schatten lagen über der Stadt; es war nahezu windstill und das schwarze, schmiedeeiserne Tor des Instituts ragte bedrohlich vor ihr auf - das darin eingearbeitete Motto sprach mehr denn je von Vergänglichkeit und Tod.
    Plötzlich bemerkte Tessa aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Sie schaute hinunter und sah einen weißen Schemen, der vom schwarzen Pflaster des Innenhofs zu ihr hinaufstarrte. Ein Gesicht, zwar verzerrt, aber durchaus erkennbar. Mrs Dark.
    Entsetzt rang Tessa nach Luft und zog instinktiv den Kopf zurück, außer Sichtweite des Fensters. Ein überwältigendes Schwindelgefühl erfasste sie. Aber im nächsten Moment setzte sie sich entschlossen dagegen zur Wehr, hielt sich am Fensterbrett fest, zog sich wieder näher heran und spähte furchterfüllt hinunter ...
    Doch der Innenhof lag leer und verlassen da und nichts bewegte sich außer den Schatten der umliegenden Sträucher. Tessa schloss einen Moment die Augen, öffnete sie dann wieder und griff nach dem tickenden Engel an ihrer Kehle. Dort unten war niemand, versicherte sie sich, nur die Hirngespinste ihrer blühenden Fantasie. Aber sie tat gut daran, ihre Tagträumereien zu zügeln, überlegte sie. Oder sie würde noch so enden wie der alte Starkweather - mehr oder weniger wirr im Kopf.

8
EIN SCHATTEN AUF DER SEELE
    Oh gerechtes, wunderbares und mächtiges Opium!
Das du gleichmäßig den Herzen der Armen wie der Reichen,
gegen Wunden, die nimmer heilen, gegen Qualen,
die die Seele aufbrüllen lassen, lindernden Balsam reichst.
Beredtes Opium! Das du mit gewaltiger Überzeugungskraft
die Auswirkungen des Zornes fortnimmst, das du dem
schuldbeladenen Manne für eine Nacht die Hoffnungen
seiner Jugend wiederschenkest und das Blut
von seinen Händen fortwäschest.
    THOMAS DE QUINCEY,
»BEKENNTNISSE EINES ENGLISCHEN OPIUMESSERS«
[14]
    Als Tessa am nächsten Morgen in den Speisesaal kam, musste sie zu ihrer Überraschung feststellen, dass Will nicht am Frühstückstisch saß. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie mit seiner Rückkehr im Lauf der vergangenen Nacht gerechnet hatte, und nun stand sie einen Moment schweigend in der Tür und sondierte die einzelnen Plätze am Tisch, als hätte sie ihn möglicherweise übersehen. Erst als ihr Blick an Jem haften blieb, der ihre unausgesprochene Frage mit einem wehmütigen und besorgten Ausdruck erwiderte, verstand sie: Es stimmte also - Will hatte sich noch immer nicht im Institut eingefunden.
    »Ach, er wird schon nach Hause kommen, Herrgott noch mal«, fauchte Jessamine verärgert und stellte ihre Teetasse klirrend auf den Unterteller. »Bisher ist er noch jedes Mal zurückgekrochen gekommen. Jetzt seht euch beide doch nur an: Ihr tut ja gerade so, als wäre euch euer Lieblingshündchen entlaufen.«
    Tessa warf Jem einen fast schuldbewussten, verschwörerischen Blick zu, während sie sich ihm gegenüber am Tisch niederließ und schweigend eine Scheibe Toast nahm.
    Henry war nicht anwesend und Charlotte, die am Kopf des Tischs saß, bemühte sich nach Kräften, nicht nervös und besorgt zu wirken - allerdings vergebens. »Natürlich wird er zurückkommen«, murmelte sie. »Will kann gut auf sich aufpassen.«
    »Meinst du, er könnte vielleicht nach Yorkshire zurückgereist sein?«, fragte Tessa. »Um seine Familie zu warnen?«
    »Nein, das ... das glaube ich nicht«, erwiderte Charlotte. »Will hat jahrelang jeden Kontakt mit seiner Familie gemieden. Er kennt das Gesetz: Ihm ist bewusst, dass er nicht mit ihnen reden darf. Und er weiß, was er damit riskieren würde.« Sie warf Jem einen kurzen Blick zu, der sich jedoch eingehend mit seinem Löffel beschäftigte.
    »Als er Cecily sah, an der Tür des Herrenhauses, lief er geradewegs in ihre Richtung ...«, gab Jem zu bedenken.
    »Ja, vielleicht im Eifer des Gefechts«, räumte Charlotte ein. »Aber er ist mit euch beiden nach London zurückgekehrt und

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