Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
verwandle?«
»Tessa«, mischte Jem sich hastig ein. »Wenn du das nicht möchtest, würde Charlotte ... würden wir das niemals von dir verlangen.«
»Ich weiß.« Tessa nickte. »Aber ich habe es selbst angeboten. Und was ich versprochen habe, halte ich auch.«
»Danke, Tessa.« Charlotte wirkte erleichtert. »Wir müssen unbedingt herausfinden, ob Starkweather irgendetwas vor uns verbirgt, ob er bei dieser Geschichte vielleicht gelogen hat ... vor allem, was seine Beteiligung am Schicksal der Familie Shade betrifft ...«
Henry runzelte die Stirn. »Es wäre ein düsterer Tag, wenn man seinen Nephilim-Brüdern und -Schwestern nicht mehr trauen könnte, Lottie.«
»Der Tag ist ohnehin schon düster, mein lieber Henry«, erwiderte Charlotte, ohne ihn jedoch anzuschauen.
»Dann wirst du mir also nicht helfen«, sagte Will tonlos.
Magnus hatte das Feuer im Kamin mithilfe von etwas Magie zum Lodern gebracht. Im Schein der tanzenden Flammen konnte er seinen Gast nun deutlicher sehen, mehr Details erkennen: die dunklen Haare, die sich im Nacken kräuselten, die feinen Wangenknochen, die kräftige Kinnpartie, der Schattenwurf seiner Wimpern. Will erinnerte ihn an jemanden, aber es wollte ihm partout nicht einfallen, sosehr er sich auch bemühte. Nach so vielen Jahren fiel es ihm manchmal schwer, sich einzelne Bilder ins Gedächtnis zu rufen, selbst wenn es sich um Erinnerungen an Personen handelte, die er einst geliebt hatte. So konnte er sich beispielsweise nicht mehr an das Gesicht seiner Mutter entsinnen, obwohl er wusste, dass er ähnliche Züge besaß wie sie - eine Mischling aus niederländischem Großvater und indonesischer Großmutter. »Wenn deine Definition von ›Hilfe‹ darin besteht, dass ich dich in das Reich der Dämonen katapultieren soll wie eine Ratte in eine Kampfgrube voller Terrier, dann hast du recht: Nein, ich werde dir nicht helfen«, entgegnete Magnus. »Allein der Gedanke ist schon völliger Irrsinn. Geh nach Hause. Schlaf deinen Rausch aus.«
»Ich bin nicht betrunken.«
»Das macht keinen großen Unterschied, wenn du mich fragst.« Magnus fuhr sich mit beiden Händen durch das dichte Haar. Unverhofft musste er an Camille denken - und das erfüllte ihn mit Genugtuung: Denn hier in diesem Raum, zusammen mit Will, hatte er fast zwei Stunden lang nicht an sie gedacht. Wenn das kein Fortschritt war ... »Glaubst du ernsthaft, du wärst der Einzige auf Erden, der jemals einen geliebten Menschen verloren hat?«
Will verzog betroffen das Gesicht. »Tu das nicht - tu nicht so, als handelte es sich um irgendeinen gewöhnlichen Liebeskummer. Damit lässt sich das überhaupt nicht vergleichen. Es heißt zwar, die Zeit heilt alle Wunden, doch das setzt voraus, dass die Quelle des Leids endlich ist, dass sie irgendwann einmal versiegt. Aber das hier ... das ist eine Wunde, die jeden Tag von Neuem geschlagen wird.«
»Ja«, bestätigte Magnus und lehnte sich gegen die Sofakissen. »Das ist ja gerade das Vertrackte an Verwünschungen, nicht wahr?«
»Es wäre eine Sache, wenn der Fluch darin bestünde, dass jeder stirbt, den ich liebe«, fuhr Will fort. »Ich könnte mein Herz im Zaum halten. Aber andere daran zu hindern, mich zu lieben, das ist ein merkwürdiger, erschöpfender Kraftakt.«
Er klingt wirklich erschöpft, dachte Magnus, erschöpft und theatralisch - so theatralisch wie nur ein Siebzehnjähriger sein kann. Überdies bezweifelte er den Wahrheitsgehalt von Wills Behauptung, er könnte sein Herz im Zaum halten. Dabei verstand Magnus durchaus, warum der Junge sich das einreden wollte.
»Ich muss jeden Tag aufs Neue die Rolle eines vollkommen anderen Menschen spielen - jemanden, der verbittert, verderbt und grausam ist ...«
»Ehrlich gesagt hast du mir so ganz gut gefallen. Und erzähl mir nicht, es würde dir nicht auch ein klitzekleines bisschen Spaß machen, den Teufel in Person zu spielen, Will Herondale.«
»Es heißt, es läge einem im Blut ... diese Art von Galgenhumor«, murmelte Will und starrte in die Flammen. »Ella hatte diesen Humor und auch Cecily. Von mir hatte ich das eigentlich nicht angenommen, bis ich feststellte, dass ich ihn dringend brauchte. Im Laufe der Jahre habe ich manche Lektion gelernt und weiß, wie man sich schnell verhasst macht. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, mich selbst zu verlieren ...« Ratlos suchte er nach den richtigen Worten. »Ich spüre, wie ich dahinschwinde, wie Teile von mir in die Dunkelheit zu stürzen drohen ... alles, was gut
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