Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
Mädchen direkt mitnehmen“, sagte Karl.
„Das wäre super! Vorausgesetzt, die Mädchen haben nichts dagegen einzuwenden.“
Marri drehte sich zu ihrem Stiefvater um und sah ihn mit strengem Gesichtsausdruck an. „Papa“, sagte sie mit einer so leisen Stimme, dass es kein anderer außer Jack hören konnte. Ihre Augenbrauen bewegten sich auf und ab und bildeten dabei kleine Fältchen auf ihrer Stirn. Jack verstand die Andeutung sofort und lächelte kurz.
„Karl, sei mir bitte nicht böse, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich die beiden selber fahre.“ Er nahm seinen Autoschlüssel vom Tisch und steckte ihn sich in die Hosentasche. „Wir können euch ja hinterherfahren. Auf diese Weise lerne ich auch den besten Weg zur Schule kennen.“
„Da hast du recht. Also los, sonst kommen wir zu spät!“, sagte Karl und klatschte in die Hände, als ob er eine verschlafene Schafsherde antreiben wollte.
Sydney riss den Blick von Elias los und streifte sich ebenfalls – wie ihre Stiefschwester – die Schultasche über die Schultern. Elias hingegen warf ihr ein kleines Lächeln zu und drehte sich zum Gehen um. Sein Vater und Aragon befanden sich inzwischen am Treppenansatz.
Keinem der Anwesenden entgingen die Blicke der beiden.
Schmunzeln saß Marri neben Sydney auf dem Rücksitz und schielte sie an.
„Mir kannst du nichts vormachen, Schwesterchen“, sagte sie plötzlich.
Sydney, etwas peinlich berührt, drehte ganz langsam den Kopf nach rechts zu Marri und grinste verlegen. Auch Jack war die Reaktion seiner Tochter auf Karls Sohn nicht entgangen. Er saß am Steuer und fuhr hinter dem Geländewagen ihres Nachbarn her. Über den Rückspiegel blickte er Sydney an und erkannte, dass ihre Wangen nun etwas gerötet waren. „Klärt mich auf. Ich habe es in der ganzen Aufregung vorhin nicht richtig mitbekommen: Wer von den beiden ist jetzt der Glückliche? Ist es der eine gut aussehende Blonde oder der andere noch besser aussehende Blonde?“
Die Mädchen tauschten Blicke aus, und ein lautes Gelächter erfüllte den Innenraum des Fahrzeugs. Jack hob fragend die Augenbrauen.
„Ich würde auf Elias tippen“, sagte Marri schließlich und strich sich vorsichtig mit dem Finger die Lachtränen aus den Augen, immer darauf bedacht, ihren Lidschatten nicht zu verwischen.
„Süß ist er schon“, antwortete Sydney und schaute verlegen aus dem Seitenfenster hinaus.
„Na, das ist doch ein gutes Zeichen“, sagte Jack mit einem breiten Grinsen. „Warum habt ihr euch denn dagegen gesträubt, mit ihnen im Auto zur Schule zu fahren?“
„Das fragst du noch?“, gab Marri mit gespielter Empörung zurück. „Wir beide zusammengequetscht zwischen den beiden Jungs, die wir gerade erst kennengelernt haben? Noch unangenehmer geht’s doch gar nicht!“
* * *
An diesem Tag meinte das Schicksal es gut mit den beiden. Ihre Befürchtungen, in zwei unterschiedliche Klassen eingeteilt zu werden, waren unnötig. Im Gegenteil: Sie kamen sogar in die gleiche wie Elias und Aragon.
Die ersten Gespräche zwischen den beiden Gruppen verliefen sehr karg, was einerseits an der anfänglichen Schüchternheit der Mädchen als auch am überwiegenden Schweigen seitens Elias’ und Aragons lag.
„Wie es scheint, habt ihr euch bereits kennengelernt“, sagte ihre neue Klassenlehrerin, die auf den ersten Blick alles andere als einen angenehmen Eindruck vermittelte. Sie war eine sehr hochgewachsene Frau im mittleren Alter; Sydney schätzte sie um die vierzig. Ihre feuer-roten Haare waren sehr lockig, sodass ihre Frisur eher an einen wild wachsenden Busch erinnerte. Passend zur Haarfarbe trug sie eine leichte Bluse, die mit roten Rosen verziert war und eher einem Fenstervorhang als einem Kleidungsstück ähnelte.
„Gut erkannt, Mrs. Tomson“, antwortete Aragon. Da sie den Klassenraum als Letzte betreten hatten, saßen die übrigen Mitschüler bereits an ihren Plätzen. Die erfolgreiche Sicherung einer vorteilhaften Sitzposition gehört schließlich zu den wohl auf der ganzen Welt verbreitetsten Ritualen des ersten Schultages.
Mrs. Tomson rückte ihre Brille mit den kleinen runden Gläsern die Nase hoch und deutete mit dem Zeigefinger auf zwei noch leerstehende Tische.
„Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Heute wurde die Bestrafung von euren Mitschülern vollzogen.“
Die Tische standen in den Außenbereichen der zweiten Reihe – einer am Fenster, der andere in der Nähe der Eingangstür. Man hätte glauben
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