Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
keuchend nach Luft – ihre Lungen brannten, doch sie brachte einen schwachen Jubelschrei heraus, als sie die Tür entdeckte. Sie war aus dickem Stahl, mit Nieten übersät und wurde von einem Ziegelstein offen gehalten. Clary hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern, weil Jace die Tür aufstieß, sie hindurchschob und die Tür hinter sich zuschlug. Sie hörten ein deutliches Klicken, als sie ins Schloss fiel und zuschnappte. Gott sei Dank, dachte sie.
Dann drehte sie sich um.
Über ihr erhob sich ein Himmel voller Sterne, die funkelten wie eine Handvoll zufällig verstreuter Diamanten. Doch das Firmament schimmerte nicht mehr nachtschwarz, sondern leuchtete in einem klaren Dunkelblau, der Farbe der anbrechenden Morgendämmerung. Sie standen auf einem kahlen Schieferdach, aus dem ein paar vereinzelte Schornsteine herausragten. An einem Ende erhob sich ein alter, verfallener Wasserturm, während am anderen ein Haufen lose gestapelter Holzbretter unter einer schweren Plane lag. »Das hier muss der Zugang der Vampire sein«, sagte Jace und blickte in Richtung Tür. Im fahlen Licht der Morgendämmerung konnte Clary sein Gesicht jetzt deutlicher erkennen; die Anspannung zeichnete sich in feinen Linien rund um seine Augen ab. Das Blut auf seiner Kleidung – hauptsächlich von Raphael – schimmerte schwarz. »Sie fliegen hier hinauf. Allerdings bringt uns dieses Wissen im Moment auch nicht weiter.«
»Vielleicht gibt es ja eine Feuerleiter«, meinte Clary. Vorsichtig tasteten sie sich bis zum Rand des Dachs vor. Clary hatte Angst vor großen Höhen und der gähnende Abgrund drehte ihr den Magen um – genau wie der Anblick der Feuerleiter, die als verdrehter, unbrauchbarer Metallknoten von der Seite der Hotelfassade herabbaumelte. »Oder auch nicht«, sagte sie und warf einen Blick auf die Tür, durch die sie gekommen waren. Sie befand sich an einem kastenartigen Aufbau in der Dachmitte und vibrierte; der Knauf wurde wild hin und her gedreht. Das Schloss würde nur noch wenige Minuten standhalten, wenn überhaupt …
Jace presste die Hände gegen die Augen. Die schwüle Luft drückte wie Blei auf ihre Schultern und ließ Clarys Nackenhaare kribbeln. Ein dünnes Schweißrinnsal lief Jace am Hals entlang in den Kragen. Plötzlich wünschte sich Clary, dass es regnete. Der Regen würde diese Hitzeglocke wie tausend Nadelstiche treffen und platzen lassen.
Jace murmelte vor sich hin. »Denk nach, Wayland, denk nach …«
In den Tiefen von Clarys Bewusstsein begann eine Form Gestalt anzunehmen. Eine Rune tanzte vor ihrem inneren Auge: zwei nach unten gerichtete Dreiecke, durch eine einzelne Linie miteinander verbunden – eine Rune wie ein Paar Flügel …
»Das ist es!«, rief Jace und ließ die Hände sinken. Einen verblüfften Moment lang fragte Clary sich, ob er ihre Gedanken gelesen hatte. Jace schaute sie mit fiebrigem Blick an; seine goldgefleckten Augen leuchteten. »Ich kann nicht glauben, dass ich nicht schon eher daraufgekommen bin.« Er stürzte in Richtung des Holzstapels am anderen Ende des Dachs, blieb dann aber abrupt stehen und sah sich nach ihr um. Clary stand noch immer wie angewurzelt an der Dachkante; ihr schwirrte der Kopf vor lauter glitzernder Symbole und Formen. »Komm schon, Clary!«
Sie schob die Gedanken an die Runen beiseite und folgte ihm. Jace hatte inzwischen die Plane erreicht und zerrte daran. Sie gab mit einem Ruck nach; unter den Holzplanken kamen glänzendes Chrom, beschlagenes Leder und funkelnder Lack zum Vorschein. »Motorräder?«
Jace schnappte sich das erstbeste – eine riesige dunkelrote Harley mit goldenen Flammen auf dem Tank. Er schwang ein Bein über die Sitzbank und warf Clary über die Schulter einen Blick zu. »Steig auf.«
Clary starrte ihn an. »Machst du Witze? Weißt du denn, wie man so ein Ding fährt? Hast du überhaupt einen Schlüssel? «
»Ich brauch keinen Schlüssel«, erklärte er mit Engelsgeduld. »Die Maschine fährt mit Dämonenenergie. Also, was ist jetzt? Steigst du auf oder willst du dein eigenes Motorrad fahren?«
Wie betäubt kletterte Clary hinter ihm auf den Sitz. Irgendwo tief in ihrem Inneren schrie eine kleine Stimme, dass das keine gute Idee sei.
»Okay«, sagte Jace. »Jetzt leg deine Arme um mich.« Sie folgte seiner Aufforderung und spürte, wie sich seine harte Bauchmuskulatur anspannte, als er sich vorbeugte und die Spitze der Stele in das Zündschloss rammte. Zu ihrer großen Überraschung fühlte sie, wie das Motorrad unter ihr
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