Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Jackentasche. Sie war leer. Clary versuchte, Simons Namen zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Rasselnd schnappte sie nach Luft. Ihr Gesicht war feucht und irgendeine klebrige Flüssigkeit sickerte in ihren Kragen.
Ist das Blut? Benommen öffnete sie die Augen. Ihr Gesicht fühlte sich an wie eine einzige große Wunde und ihre Arme schmerzten und stachen. Sie rollte sich auf die Seite und stellte fest, dass sie zur Hälfte in einer dreckigen Wasserpfütze lag. Der Morgen war nun endgültig angebrochen – Clary konnte die Reste des Motorrads sehen, die zu einem unkenntlichen Haufen Asche zusammenfielen, als die Sonnenstrahlen es trafen.
Ein Stück entfernt kam Jace mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine. Er wollte auf sie zulaufen, brachte aber gerade mal ein langsames Humpeln zustande. Ein Ärmel seiner Jacke war abgerissen und eine lange blutige Wunde erstreckte sich über seinen linken Arm. Das Gesicht unter den dunkelblonden Locken, die von Schweiß, Dreck und Blut verklebt waren, wirkte kreidebleich. Sie fragte sich, warum er so geschockt aussah. Lag vielleicht eines ihrer Beine halb abgerissen in einer Blutlache?
Sie versuchte, sich aufzurichten, und spürte plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter. »Clary?«
»Simon!«
Er kniete neben ihr, blinzelte mehrmals, als könne er es selbst nicht glauben. Seine Kleidung war zerknittert und dreckig und er hatte seine Brille verloren, doch ansonsten schien er unverletzt. Ohne die Augengläser wirkte er jünger, schutzloser und ein wenig benommen. Er streckte eine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, doch sie zuckte zurück. »Au!«
»Alles in Ordnung? Du siehst großartig aus«, sagte er mit einem leisen Stocken in der Stimme. »Der schönste Anblick meines Lebens …«
»Das liegt daran, dass du deine Brille nicht aufhast«, erwiderte sie matt und rechnete mit einer oberschlauen Antwort. Doch stattdessen schlang er die Arme um sie und presste sie fest an sich. Seine Kleidung roch nach Blut, Schweiß und Schmutz, sein Herz schlug rasend schnell und er drückte gegen ihre Wunden, aber sie empfand es trotzdem als ungeheure Erleichterung, von ihm gehalten zu werden und zu wissen, dass es ihm gut ging.
»Clary«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich dachte … ich dachte, dass du …«
»Dass ich dich hängen lassen würde? So ein Quatsch! Natürlich hab ich nach dir gesucht«, sagte sie.
Sie schlang die Arme um ihn. Alles an ihm war so vertraut, vom ausgebleichten Stoff seines T-Shirts bis hin zu der scharfen Kante seines Schlüsselbeins, auf der ihr Kinn ruhte. Er sagte ihren Namen und beruhigend strich sie ihm über den Rücken. Als sie einen kurzen Blick über die Schulter warf, sah sie Jace, der sich abwandte, als würde das helle Licht der aufgehenden Sonne ihm in den Augen brennen.
16
G EFALLENE E NGEL
Hodge war stocksauer. Er hatte sie in der Eingangshalle erwartet, in der sich auch Isabelle und Alec herumdrückten, als Clary und die Jungs durch die Tür gehumpelt kamen, dreckig und blutverschmiert. Sofort erhielten sie eine Standpauke, auf die Clarys Mutter stolz gewesen wäre: Nicht nur, dass sie ihn angelogen hatten – offenbar hatte Jace ihm nichts von der Party erzählt –, er würde Jace auch nie wieder vertrauen können. Zusätzlich garnierte er seine Predigt mit Bemerkungen wie »das Gesetz gebrochen«, »den Rat hintergangen« und »Schande über den stolzen und ehrwürdigen Namen der Waylands gebracht«. Nachdem Hodge seiner Wut Luft gemacht hatte, fixierte er Jace mit festem Blick. »Du hast mit deinem Starrsinn andere in Gefahr gebracht. Dies ist ein Vorfall, den du nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun kannst. Dafür werde ich sorgen!«
»Das hatte ich auch gar nicht vor«, sagte Jace. »Ich kann eh nichts abschütteln. Meine Schulter ist ausgekugelt.«
»Wenn ich nur glauben könnte, dass körperliche Schmerzen eine Strafe für dich sind«, erwiderte Hodge finster. »Aber vermutlich wirst du die nächsten Tage entspannt auf der Krankenstation verbringen, während Alec und Isabelle dich von morgens bis abends bemuttern. Und wahrscheinlich wirst du das Ganze auch noch genießen .«
Hodge sollte in fast allen Punkten recht behalten: Jace und Simon landeten auf der Krankenstation. Allerdings bemutterte nur Isabelle die beiden – wie Clary feststellte, nachdem sie sich frisch gemacht hatte und einige Zeit später das Krankenzimmer betrat. Hodge hatte die Prellung an ihrem Arm behandelt und zwanzig Minuten unter der
Weitere Kostenlose Bücher