Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
den schlanken Stab in seinen Gürtel und zog die Jacke wieder über die Schultern. Dann stieß er mit der Stiefelspitze gegen den Leichnam des Riesen. »Wir müssen Hodge darüber informieren«, sagte er. »Der wird ausflippen«, fügte er hinzu, als erfülle ihn der Gedanke an Hodges Reaktion mit Genugtuung. Jace gehörte zu der Sorte von Leuten, denen es gefiel, wenn etwas passierte , dachte Clary – auch wenn das, was passierte, ziemlich übel war.
»Warum sollte er ausflippen?«, fragte Clary. »Und wenn ich es richtig verstehe, dann war das da kein Dämon. Deswegen hat der Sensor ihn auch nicht registriert, richtig?«
Jace nickte. »Siehst du die vielen Narben auf seinem Gesicht?«
»Ja.«
»Die wurden von einer Stele hervorgerufen, genau der gleichen Sorte wie dieser hier.« Er klopfte auf den Stab an seinem Gürtel. »Du hast mich doch gefragt, was passiert, wenn man jemanden, der kein Schattenjägerblut in sich trägt, mit einem Mal versieht. Eine einzige dieser Runen würde lediglich die Haut desjenigen verbrennen, aber viele mächtige Male … in das Fleisch eines ganz normalen Menschen geritzt, der nicht eine Spur von Schattenjägervorfahren besitzt … dann erhältst du so was.« Er deutete mit dem Kinn auf den Riesen. »Die Runen sind qualvoll. Und die Gezeichneten verlieren den Verstand – die Schmerzen treiben sie förmlich in den Wahnsinn. Sie verwandeln sich dann in grimmige, hirnlose Tötungsmaschinen, die weder essen noch schlafen, sofern man sie nicht dazu zwingt. Normalerweise sterben sie recht bald. Runen besitzen eine große Macht und können für sehr gute Zwecke eingesetzt werden – aber sie können auch dem Bösen dienen. Und die Forsaken sind böse.«
Clary starrte ihn entsetzt an. »Aber warum sollte sich jemand so etwas antun wollen?«
»Niemand würde das freiwillig auf sich nehmen – es wird ihnen von Dritten zugefügt. Vielleicht von einem Hexenmeister oder irgendeinem Schattenwesen, das sich dem Bösen verschrieben hat. Die Forsaken sind demjenigen treu, der sie mit einem Mal gezeichnet hat. Außerdem sind sie wie gesagt rücksichtslose Killer und können einfache Befehle ausführen. Im Grunde ist das so, als hätte man eine Armee von Sklaven zur Verfügung.« Jace stieg über den toten Forsaken und warf Clary einen Blick zu. »Ich geh noch mal rauf.«
»Aber die Wohnung ist doch leer.«
»Vielleicht lungern da oben ja noch weitere Untote herum«, erwiderte er, so als freue er sich fast schon darauf. »Du bleibst besser hier.« Damit stieg er die Stufen hinauf.
»Das würde ich nicht machen, wenn ich du wäre«, sagte eine schrille, vertraute Stimme wie aus dem Nichts. »Da, wo der erste herkam, warten noch weitere.«
Jace, der fast schon den oberen Treppenabsatz erreicht hatte, wirbelte herum und starrte in die Dunkelheit. Auch Clary wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war; allerdings wusste sie sofort, wem sie gehörte. Der schwere Akzent war nicht zu verkennen.
»Madame Dorothea?«
Die alte Frau nickte huldvoll. Sie stand im Türrahmen ihrer Wohnung, in ein zeltartiges Gewand aus roher purpurroter Seide gehüllt. Goldketten glitzerten an ihren Handgelenken und um ihren Hals. Mehrere Strähnen hatten sich aus dem Knoten gelöst, zu dem sie ihr langes silbergrau meliertes Haar hochgesteckt hatte.
Jace starrte sie unverwandt an. »Aber …«
»Warten noch weitere was ?«, fragte Clary.
»Weitere Forsaken«, erwiderte Madame Dorothea mit einer Heiterkeit in der Stimme, die nach Clarys Gefühl nicht zu den Umständen passte. Die alte Frau sah an ihr vorbei in den Flur. »Da habt ihr ja eine schöne Sauerei veranstaltet. Ich wette, keiner von euch beiden denkt auch nur im Traum daran, das wieder sauber zu machen. Typisch.«
»Aber Sie sind eine Irdische «, brachte Jace schließlich hervor.
»Messerscharf beobachtet«, bestätigte Madame Dorothea mit glänzenden Augen. »Mit dir hat der Rat ja wirklich einen Volltreffer gelandet.«
Jace’ Verwirrung wich einem Ausdruck wachsender Wut. »Sie wissen also vom Rat?«, fragte er herausfordernd. »Sie kennen den Rat, Sie wussten, dass sich Forsaken in diesem Haus aufhielten, und haben den Rat nicht informiert? Die bloße Existenz von Forsaken ist bereits ein Verstoß gegen das Bündnis …«
»Weder der Rat noch das Bündnis haben jemals etwas für mich getan«, entgegnete Madame Dorothea aufgebracht und ihre Augen funkelten wütend. »Ich schulde denen gar nichts.« Einen kurzen Moment lang wurde
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