Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Samtvorhänge, welche die gesamte linke Wand bedeckten; ausgestopfte Vögel und Fledermäuse baumelten an dünnen Fäden von der Decke, glänzende schwarze Perlen saßen an den Stellen, wo einst ihre Augen gewesen waren. Auf dem Boden lagen fadenscheinige Perserteppiche, aus denen bei jedem Schritt eine Staubwolke stieg. Eine Gruppe wuchtiger rosafarbener Sessel umringte einen niedrigen Tisch, an dessen einem Ende Clary einen Stapel Tarotkarten erkannte, zusammengehalten von einem Seidenband. Auf der anderen Tischseite thronte eine Kristallkugel auf einem goldenen Ständer und in der Tischmitte stand ein silbernes Teeservice, das die Gäste zu erwarten schien: Auf einem hübschen Tablett stapelten sich Sandwichs, aus einer blauen Teekanne stieg langsam weißer Dampf auf und zwei Teetassen mit passenden Untertassen waren sorgfältig vor zwei der Sessel platziert worden.
»Wow«, sagte Clary matt. »Das sieht toll aus.« Sie ließ sich in einen der Sessel sinken. Es tat gut, endlich wieder einmal zu sitzen.
Dorothea lächelte und in ihren Augen glitzerte hintergründiger Humor. »Wer möchte Tee?«, fragte sie und hob die Kanne an. »Milch? Zucker?«
Clary schaute hinüber zu Jace, der neben ihr saß. Er hatte sich das Tablett mit den Sandwichs genommen und betrachtete es eingehend. »Zucker«, sagte sie.
Jace zuckte die Achseln, nahm sich ein Sandwich und stellte das Tablett wieder ab. Clary beobachtete ihn misstrauisch, während er hineinbiss. Er zuckte erneut die Achseln. »Gurke«, sagte er und erwiderte ihren Blick.
»Ich war immer schon der Meinung, dass Gurkensandwichs das einzig Wahre zum Tee sind«, sagte Madame Dorothea.
»Ich hasse Gurken«, erwiderte Jace und reichte Clary den Rest seines Sandwichs. Sie biss hinein – es war perfekt, mit genau der richtigen Menge Mayonnaise und Pfeffer.
Ihr Magen gab ein dankbares Knurren von sich und machte sich gierig über die erste feste Nahrung her, die er seit den Nachos mit Simon geboten bekam.
»Gurken und Bergamotte«, sagte Clary. »Was hasst du sonst noch, von dem ich unbedingt wissen sollte?«
Jace schaute über den Rand seiner Teetasse hinweg Madame Dorothea an. »Lügen«, sagte er.
Ruhig stellte die alte Dame ihre Teekanne ab. »Du kannst mich ruhig eine Lügnerin nennen. Es stimmt, ich bin keine Hexe. Aber meine Mutter war eine.«
Jace verschluckte sich fast an seinem Tee. »Das ist unmöglich.«
»Warum unmöglich?«, fragte Clary neugierig und nahm einen Schluck Tee. Er war bitter und stark aromatisiert und hatte einen rauchigen Nachgeschmack.
Jace seufzte. »Weil Hexen halb Mensch, halb Dämon sind. Alle Hexen und Hexenmeister sind Mischlinge. Und weil sie Mischlinge sind, können sie keine Kinder bekommen. Sie sind unfruchtbar.«
»Wie Maultiere«, meinte Clary nachdenklich, da sie sich an etwas erinnerte, das sie im Biologieunterricht gehört hatte. »Mulis sind unfruchtbare Mischlinge.«
»Deine Kenntnisse über Nutzvieh sind erstaunlich«, sagte Jace. »Alle Schattenwesen tragen einen Teil Dämonenblut in sich, aber nur Hexenmeister sind direkte Nachfahren von Dämoneneltern. Darum verfügen sie auch über die stärksten Kräfte.«
»Und Vampire und Werwölfe – sind die auch zum Teil Dämonen? Und was ist mit Elben?«
»Vampire und Werwölfe sind das Resultat von Krankheiten, die Dämonen aus ihren Heimatwelten eingeschleppt haben. Die meisten Dämonenkrankheiten sind für Menschen tödlich, doch in manchen Fällen verändern sie die Erkrankten auf seltsame Weise, ohne sie zu töten. Und Elben …«
»Elben sind gefallene Engel«, sagte Madame Dorothea, »die aus dem Himmel verbannt wurden, weil sie zu stolz waren.«
»So sagt die Legende«, meinte Jace. »Andere behaupten, dass es sich bei ihnen um die Nachkommen von Dämonen und Engeln handelt, was ich für wahrscheinlicher halte. Gut und Böse, miteinander vermischt. Elben sind so wunderschön, wie Engel es angeblich sind, doch sie tragen viel Mutwillen und Grausamkeit in sich. Und wie du feststellen wirst, meiden die meisten von ihnen die Mittagssonne …«
»Denn das Böse hat keine Macht«, ergänzte Madame Dorothea leise, als zitiere sie ein altes Gedicht, »außer in der Dunkelheit.«
Jace warf ihr einen finsteren Blick zu.
»Wie Engel es angeblich sind?«, wiederholte Clary. »Willst du damit sagen, dass Engel …«
»Genug über Engel«, sagte Madame Dorothea plötzlich grob. »Es stimmt, dass Hexen keine Kinder bekommen können. Meine Mutter hat mich adoptiert,
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