Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Clary war sprachlos.
»Ja.« Aline holte tief Luft. »Als du … als du Jace und mich vor ein paar Tagen in der Bibliothek überrascht hast… das hatte nichts zu bedeuten. Ich habe ihn geküsst. Es war… eine Art Experiment. Und es hat nicht funktioniert.«
Clary spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss und sie rot anlief, vermutlich in einem spektakulären Scharlachrot. Warum erzählt sie mir das alles?, fragte sie sich und erwiderte dann betont beiläufig: »Ist schon okay. Das ist schließlich Jace’ Privatsache und geht mich nichts an.«
»Na ja, du schienst damals ziemlich bestürzt zu sein.« Ein kleines Lächeln umspielte Alines Mundwinkel. »Und ich glaube, ich kenne auch den Grund dafür.« - :
Clary schluckte hart, um den säuerlichen Geschmack in ihrem Mund zu beseitigen. »Tatsächlich?«
»Es ist doch so: Dein Bruder ist ziemlich begehrt. Das weiß schließlich jeder. Er war schon mit einer beträchtlichen Menge Mädchen verabredet. Und da hattest du eben einfach die Sorge, wenn er mit mir rummacht, würde ihn das in Schwierigkeiten bringen. Schließlich sind - waren - unsere Familien eng befreundet. Aber darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er ist nicht mein Typ.«
»Ich glaub nicht, dass ich den Satz schon mal von einem Mädchen gehört habe«, bemerkte Simon. »Ich hab immer gedacht, Jace wäre die Sorte von Junge, die jedermanns Typ ist.«
»Ja, das habe ich auch gedacht«, sagte Aline gedehnt, »und darum hab ich ihn auch geküsst. Ich wollte herausfinden, welche Sorte von Junge mein Typ ist.«
Sie hat Jace geküsst - und nicht umgekehrt, dachte Clary. Sie hat ihn geküsst! Über Alines Kopf hinweg kreuzte sich ihr Blick mit dem ihres alten Freundes. Simon wirkte belustigt. »Und, zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
Aline zuckte die Achseln. »Ich bin mir noch nicht sicher. Aber wenigstens brauchst du dir wegen Jace keine Sorgen mehr zu machen.«
Schön war’s. »Wegen Jace muss ich mir immer Sorgen machen.«
Der Saal im Inneren der Abkommenshalle war nach der Dämonenschlacht notdürftig repariert worden und diente seit der Zerstörung der Garnison als Versammlungsort der Schattenjägerkongregation sowie als Treffpunkt für all jene, die nach vermissten Familienmitgliedern suchten oder die neuesten Nachrichten in Erfahrung bringen wollten. Der Brunnen in der Saalmitte war trockengelegt und auf beiden Seiten mit mehreren Reihen langer Holzbänke flankiert worden, ausgerichtet auf ein erhöhtes Podium am hinteren Ende des Saals. Während einige Nephilim offensichtlich in einer Ratsbesprechung zusammensaßen, liefen Dutzende anderer besorgt durch die Gänge und Arkaden, die den zentralen Bereich umgaben. Die Halle wirkte nicht länger wie ein Ort, der zum Tanzen einlud: Eine angespannte Stimmung lag in der Luft, eine Mischung aus Nervosität und böser Vorahnung.
Trotz der Ratsversammlung in der Raummitte war der Saal vom leisen Gemurmel zahlreicher Gespräche erfüllt. Während Clary und Simon sich langsam vorwärtsbewegten, schnappten sie verschiedene Satzfetzen auf: Die Dämonentürme funktionierten wieder. Die Schutzschilde waren reaktiviert, aber schwächer als zuvor. In den Hügeln südlich der Stadt hatte man Dämonen gesichtet. Viele Landhäuser wirkten verlassen. Weitere Familien hatten der Stadt den Rücken gekehrt, darunter einige, die ganz aus dem Rat ausgetreten waren.
Auf dem erhöhten Podium stand der Konsul, umgeben von großen Karten der Stadt, und starrte finster wie ein Leibwächter vor sich hin, während neben ihm ein kleiner, gedrungener, grau gekleideter Mann ununterbrochen redete und dabei wütend gestikulierte. Doch niemand schien ihm Beachtung zu schenken.
»Oh Mist, das ist der Inquisitor«, murmelte Simon und deutete verstohlen auf den Mann. »Aldertree . «
»Und da drüben ist Luke«, sagte Clary, als sie ihn in der Menge entdeckt hatte. Er lehnte gegen den trockengelegten Brunnen, tief in ein Gespräch vertieft mit einem Mann in stark verschlissener Kampfmontur und einem Verband, der fast seine ganze linke Gesichtshälfte verdeckte. Clary hielt nach Amatis Ausschau und entdeckte sie schließlich am hinteren Ende einer Holzbank, wo sie allein und weitab von den anderen Schattenjägern saß. Als sie Clarys Blick auffing, zog sie ein verblüfftes Gesicht und machte Anstalten, aufzustehen und auf sie zuzugehen.
Doch in dem Augenblick sah Luke Clary, runzelte die Stirn, wechselte mit dem bandagierten Mann ein
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