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Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels

Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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sich nun nicht mehr daran erinnern konnte, dass Simon überhaupt fort gewesen war. Oder zumindest nicht bewusst daran erinnerte. Allerdings hatte sich ihr Verhalten verändert. In den vergangenen Wochen war sie irgendwie argwöhnisch geworden — sie wich ihm kaum von der Seite, beobachtete ihn ständig und bestand darauf, dass er um eine bestimmte Uhrzeit zu Hause zu sein hatte. Als er beim letzten Mal von einem Date mit Maia spät heimgekehrt war, hatte er Elaine wartend in einem Sessel im Flur vorgefunden, die Arme über der Brust verschränkt und mit einem Ausdruck mühsam beherrschter Wut in den Augen.
    An jenem Abend hatte er ihre Atmung wahrgenommen, noch bevor er sie gesehen hatte. Doch jetzt hörte er nur das dumpfe Geräusch des eingeschalteten Fernsehers, das aus dem Wohnzimmer in den Flur drang. Seine Mutter musste auf ihn gewartet haben, während sie wahrscheinlich etliche Folgen ihrer Lieblings-Krankenhausserie geguckt hatte. Leise drückte Simon die Haustür hinter sich ins Schloss und lehnte sich dagegen, um Kraft für eine weitere Lüge zu sammeln.
    Es war schon schlimm genug, dass er in Gegenwart seiner Familie nichts essen konnte. Glücklicherweise fuhr seine Mutter frühmorgens zur Arbeit und kehrte oft erst spät zurück, und seine Schwester Rebecca, die in New Jersey aufs College ging und nur gelegentlich zu Hause aufkreuzte, um ihre Wäsche zu waschen, war zu selten da, um irgendetwas zu bemerken. Wenn Simon am Morgen aufstand, war seine Mutter meist schon aus der Tür und das liebevoll zubereitete Frühstück und das Mittagessen standen auf der Küchentheke. Beides entsorgte er auf dem Weg zur Schule in irgendeinem Müllcontainer. Dagegen gestaltete sich das Abendessen sehr viel schwieriger. Wenn seine Mutter zu Hause war, schob er das Essen lustlos auf dem Teller hin und her und behauptete, er hätte keinen Hunger. Oder er verkündete, er wolle den Teller mit auf sein Zimmer nehmen und beim Lernen essen. Ein oder zwei Mal hatte er sogar ein paar Bissen heruntergewürgt, nur um seine Mutter glücklich zu machen, aber danach hatte er Stunden schwitzend und würgend im Bad verbracht, bis auch der letzte Rest des Abendessens wieder aus seinem Körper heraus war.
    Simon hasste es, dass er seine Mutter belügen musste. Früher hatte er immer Mitleid mit Clary gehabt, wegen ihres angespannten Verhältnisses zu Jocelyn, der überängstlichsten Mutter, die er kannte. Doch inzwischen war es genau umgekehrt: Seit Valentins Tod hatte sich Jocelyns restriktive Haltung gegenüber Clary so weit gelockert, dass man sie fast schon als normale Mutter bezeichnen konnte. Dagegen spürte Simon nun jedes Mal den schweren Blick seiner Mutter auf sich lasten, wie ein unausgesprochener Vorwurf, der ständig im Raum stand.
    Entschlossen straffte er nun die Schultern, legte seine Kuriertasche neben der Haustür ab und ging ins Wohnzimmer, um sich die zu erwartende Gardinenpredigt anzuhören. Der Fernseher war auf den Nachrichtensender eingestellt und der Moderator berichtete gerade von einer ergreifenden Lokalstory — in einer Gasse hinter einem Krankenhaus in der Innenstadt hatte man einen ausgesetzten Säugling gefunden. Simon war überrascht: Normalerweise hasste seine Mom Nachrichtensendungen, weil sie sie deprimierend fand. Doch als er einen Blick auf das Sofa warf, war ihm sofort alles klar. Seine Mutter schlief tief und fest; ihre Brille lag auf dem Couchtisch und auf dem Boden stand ein halb leeres Glas. Simon konnte den Geruch bereits aus der Entfernung wahrnehmen — vermutlich Whisky — und verspürte einen heißen Stich. Seine Mutter trank so gut wie nie Alkohol.
    Leise ging er in ihr Schlafzimmer und kehrte mit einer Häkeldecke zurück. Seine Mom schlief noch immer; ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Elaine Lewis war eine kleine, vogelartige Frau, mit einer Fülle schwarzer Locken, zwischen denen die ersten grauen Strähnen leuchteten. Aber sie weigerte sich, ihre Haare zu färben. Sie arbeitete für eine gemeinnützige Umweltorganisation und die meisten ihrer Kleidungsstücke waren mit Tiermotiven dieser Organisation versehen — so wie das mit Delfinen und Wellen bedruckte Batikkleid, das sie in diesem Moment trug, und die Anstecknadel, gefertigt aus einem in Bernstein konservierten, kleinen Fisch. Dessen lackiertes Auge schien Simon vorwurfsvoll anzustarren, als er sich zu seiner Mutter hinabbeugte, um ihr die Decke bis über die Schultern zu ziehen.
    Im selben Augenblick bewegte sie sich unruhig

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