Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
nur noch etwa fünfzig Meter bis zum Ende der Wand. Kommen Sie zu mir. Gemeinsam können wir fliehen.«
    Die Söldnerin würdigte ihn keines Blickes. Das Seil fest in der Felswand verankert, erwartete sie den nächsten Angriff. Dieser ließ nicht lange auf sich warten. Mit weit aufgerissenem Rachen und vor Wut schäumend, schoss das Insekt heran. Es hatte nicht mehr vor, sich etwas zu fressen zu besorgen. Es wollte seine Gegnerin tot sehen. Sein Plan schien darin zu bestehen, die Söldnerin einfach von dem Vorsprung zu fegen.
    Immer schneller preschte es heran. Fünfzehn Meter … zehn … fünf.
    Es war fast bis auf Armlänge an Valkrys herangekommen, als diese sich von der Felswand abstieß. Mit aller Kraft sprang sie nach vorn, geradewegs in den schwindelerregenden Abgrund hinein.
    Max war vor Entsetzen wie gelähmt. Hilflos musste er mit ansehen, wie die Frau in ihr sicheres Verderben sprang. Das Seil spannte sich hinter dem Insekt und riss es mit sich. Seine verbliebenen Beine reichten nicht aus, um sich festzukrallen. Max hörte ein markerschütterndes Pfeifen, dann stürzte es in die Tiefe. Seine messerscharfen Klauen verfehlten Valkrys’ Kopf nur um eine knappe Armlänge.
    Zappelnd und mit den Beinen um sich tretend, wurde es immer kleiner und verschwand irgendwann im Nebel, viele Hundert Meter unter ihnen.
    Die Söldnerin schlug hart gegen den Fels. Max hörte, wie der Aufprall ihr den Atem aus der Lunge quetschte. Das Seil spannte sich, hielt aber.
    Der Redakteur reagierte sofort.
    Die Gefahr außer Acht lassend, hastete er zurück zu der Stelle, an der die Söldnerin das Seil im Fels verkeilt hatte. Er packte den Strick und begann zu ziehen. Stück für Stück, Meter um Meter. Endlich hatte er Valkrys so weit, dass sie nach dem Sims greifen konnte. Unter Aufbietung aller Kräfte zog sie sich herauf.
    »Was ist geschehen?«, murmelte sie. »Habe ich es erwischt?«
    Offenbar war sie vom Aufprall immer noch betäubt.
    »Das haben Sie«, keuchte Max. »Und ob Sie das haben! Das war der großartigste Kampf, den ich je gesehen habe.«
    Auf Valkrys’ Gesicht zeichnete sich ein kleines Lächeln ab. »Oh, dann haben Sie noch gar nichts gesehen.«
    »Mag sein«, sagte er. »Aber mir reicht’s. Machen wir, dass wir von hier wegkommen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe von dieser Felswand die Nase gestrichen voll.«

35
     
     
    Das Linguaphon war ein kleiner grauer Kasten, in dem es unablässig rumorte. Auf seiner Vorderseite war eine Unzahl von Reglern und Knöpfen, der größte davon eine grünliche Glaskugel, die der Forscher liebevoll »magisches Auge« getauft hatte. Überall blinkten und zwinkerten kleine Lämpchen, über deren Funktionsweise man sicher ein ganzes Buch hätte füllen können. Eine runde Aussparung unterhalb des magischen Auges trug den Vermerk »Lautsprecher«.
    Der Priester und seine Dienerschaft hatten sich um die vier Reisenden geschart und beobachteten jeden von Humboldts Handgriffen.
    »Nun wird’s interessant«, sagte der Forscher. Er öffnete ein seitliches Fach an dem Kasten und zog zwei dünne Kabel heraus. Sie endeten in durchsichtigen Knöpfen.
    »Was ist denn das?«, fragte Oskar.
    »Pst«, zischte Humboldt. »Ab jetzt bitte kein Gerede mehr, sonst wird die Sprachspule verunreinigt. Ich muss das Gerät erst richtig einstellen.« Er betätigte einen Kippschalter auf der rechten Seite. Ein durchdringendes Pfeifen erklang. Die Indianer wichen erschrocken zurück, doch Humboldt gab ihnen zu verstehen, dass alles in Ordnung war. Mit Handzeichen winkte er den Priester zu sich heran und forderte ihn auf, die Lederschlaufe über seinen Kopf zu ziehen. Zuerst blickte der Schamane misstrauisch, doch dann fasste er sich ein Herz, nahm seinen Federputz ab und zog stattdessen das Linguaphon über. Das Gerät baumelte jetzt auf seiner Brust, der Schalltrichter genau auf Höhe seines Mundes. Neugierig blickten seine Diener auf die vielen blinkenden Knöpfe. Als einer von ihnen mit dem Finger darauf tippen wollte, scheuchte Humboldt ihn weg. »Nicht anfassen«, sagte er mit strengem Blick. Er nahm die beiden Kabel und steckte die Enden dem Priester in die Ohren. Der arme Mann hatte Angst, doch er ließ alles tapfer mit sich geschehen.
    »Fertig«, flüsterte Humboldt. »Charlotte, wenn du jetzt bitte den Begrüßungstext sprechen könntest, den ich dir gegeben habe.«
    Das Mädchen nickte, zog einen handgeschriebenen Zettel heraus und hielt ihn ins Licht. Mit klaren und gut

Weitere Kostenlose Bücher