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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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er sich noch einmal für die Ehre, dass man sie empfing, und für die Gelegenheit, dem Hohepriester persönlich gegenübertreten zu dürfen. Dann verstummte er.
    Erwartungsvoll blickten alle den Schamanen an.
    »Regen … fresset?« In den Augen des Mannes leuchtete Erstaunen. »Was ist das für … Name?«
    »Das ist der Name, unter dem die Legende über euch geht«, erwiderte Humboldt. »Entschuldigt, wenn ich euch damit beleidigt haben sollte.«
    »Beleidigt? Nein.« Der kleine Mann lächelte nachdenklich. »Einem … Außenstehenden mag es tatsächlich so vorkommen, als würden wir Regen … fressen. In Wirklichkeit ist es ein ganz einfacher Vorgang. Ich werde es euch zu einem späteren Zeitpunkt erklären.«
    Oskar lauschte voller Faszination den Worten, die aus dem Linguaphon kamen. Gewiss, sie klangen mechanisch und irgendwie stimmte die Betonung nicht, aber sie waren klar und deutlich zu verstehen. Manchmal schienen dem Gerät die richtigen Worte zu fehlen. Dann kam es zu einer Verzögerung und die Lämpchen an der Vorderseite blinkten wie verrückt. Ansonsten aber funktionierte es einwandfrei.
    »Ich … möchte mich vorstellen«, sagte der Priester. »Mein Name ist Yupan vom Volk der Hanaq Pacha. Eure Ankunft wurde vor langer Zeit vorausgesagt … fühle mich geehrt, euch in meinem bescheidenen Tempel willkommen zu heißen.«
    »Vorausgesagt?« Humboldt zog die Stirn kraus. »Was genau meinen Sie damit?«
    »Eine … Prophezeiung«, entgegnete der Priester, während er gewissenhaft in den Schalltrichter sprach. »Sie hat unseren Sehern von jeher große Rätsel aufgegeben. In ihr ist eure Ankunft beschrieben.« Als er die verständnislosen Blicke seiner Gäste bemerkte, sagte er: »Ich möchte euch zu einem solch frühen Zeitpunkt nicht mit solch schwerwiegenden Dingen belasten. Zuerst einmal möchte ich mich für die Behandlung durch unsere … Grenzpatrouille entschuldigen. Sie wussten nichts von eurer Ankunft. Als ich erfuhr, dass vier Gefangene mit eurer Beschreibung in unseren Gewahrsam gebracht worden waren, handelte ich sofort.« Er lächelte entschuldigend. »Ihr müsst wissen, wir Hanaq Pacha leben seit ewigen Zeiten in völliger Abgeschiedenheit. Unsere Grenzen liegen im … Verborgenen und so soll es bleiben. Ihr seid seit einhundert Jahren die ersten Fremden, die zu uns gekommen sind. Abgesehen natürlich von dem Mann, den wir in unseren … Fangnetzen fanden. Er war halb tot. Vergiftet von den … Ukhu Pacha.«
    Oskar hob die Augenbrauen. »Ukhu … was?«
    »Boswell!«, unterbrach ihn Eliza. »Ich glaube, er redet von Boswell.«
    »Ihr wisst, von wem ich spreche?« Yupans Gesicht leuchtete auf.
    »Aber natürlich«, sagte sie. »Ich habe ihn in meinen Visionen gesehen.«
    »Dann ist es also wahr«, sagte Yupan. »Er ist Das Auge. Sein Ruf hat euch erreicht.«
    Oskar hielt den Kopf schief. Das Auge? Klang nach einem weiteren Geheimnis. Es lag ihm auf der Zunge, danach zu fragen, doch er wollte die Unterhaltung nicht mit Nebensächlichkeiten stören.
    »Sie haben recht«, entgegnete Humboldt. »Er ist es, der uns den Weg gewiesen hat. Es geht ihm doch gut, oder?«
    »Oh, ihm fehlt nichts«, sagte Yupan. »Er hat das Ritual anlässlich eurer Herbeirufung gut überstanden und ist seit einiger Zeit unser Gast. Wenn ihr möchtet, werde ich ihn holen lassen.«
    »Das wäre uns sehr recht«, erwiderte Humboldt und verbeugte sich.
    Der Priester klatschte zweimal in die Hände. Ein Diener erschien, nahm die Befehle seines Herrn entgegen, dann eilte er davon.
    »Fragen Sie ihn auch nach Wilma«, flüsterte Oskar seinem Herrn zu, doch Yupan hatte ihn bereits gehört. »Euer kleiner Vogel? Ein höchst bemerkenswertes Geschöpf. Er erinnert mich ein wenig an unsere … Nandus. Doch so ein kleines … Exemplar habe ich bisher noch nicht gesehen.«
    Er ging zu dem Käfig oben auf der Empore und öffnete die Tür.
    Zuerst erschien ein Schnabel, dann ein kleiner Kopf. Misstrauisch lugten zwei Knopfaugen in die Umgebung. Dann erblickte Wilma die verloren geglaubten Mitglieder ihrer Familie. Wie der Blitz sauste sie heraus und begann mit einer überschwänglichen Begrüßung. Von Oskar, der vor ihr in die Hocke gegangen war, ließ sie sich besonders lange kraulen.
    Der Priester betrachtete die Szene mit Wohlwollen. »Es ist eine besondere Ehre, das Vertrauen eines Vogels zu gewinnen«, sagte er. »Sie sind heilige … Geschöpfe, ob sie nun fliegen können oder nicht. Achtet gut auf ihn, dann wird er euch immer

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