Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
verständlichen Worten begann sie vorzulesen.
»Rimaykullayki.«
»Rimaykullayki?« Der Priester blickte verwundert.
»Itnaynallan kashanki«, sagte Charlotte.
»Allillanmi. Quanri?« Der Priester sah immer verwirrter aus. Oskar hatte keine Ahnung, was hier vorging. Während der alte Mann sprach, drehte und justierte Humboldt unentwegt an den Knöpfen herum. Das magische Auge waberte geheimnisvoll in der Dunkelheit. »Weiter«, flüsterte er. »Immer weiter. Du machst das hervorragend.«
»Iman sutiyki?«
»Yupann sutiy«, antwortete der Priester. Während er sprach, hatte Oskar das Gefühl, eine zweite Stimme würde sich darüberlegen. Eine künstliche, gleichwohl gut verständliche Stimme.
»… Name ist Yupan«, kam es aus dem Lautsprecher.
»Weiter«, sagte Humboldt. »Ich glaube, es funktioniert.«
»Charlotten sutiy«, sagte das Mädchen und deutete auf sich. »Mein Name ist Charlotte.« Sie deutete der Reihe nach auf ihre Gefährten. »Das sind mein Onkel, Carl Friedrich von Humboldt, Eliza Molina und Oskar Wegener. Wir alle sind sehr erfreut, euch kennenzulernen.«
Mit einem Mal schien der Schamane zu verstehen. Seine Augen leuchteten vor Freude. »Anchatan kusikuni riqsispayki«, sagte er hastig. Die Stimme aus dem Lautsprecher sagte: »Sehr erfreut, euch kennenzulernen.«
»Es funktioniert, es funktioniert.« Humboldt war ganz aus dem Häuschen. Er schien ebenfalls verwundert zu sein, wie gut seine Erfindung arbeitete. »Weiter, Charlotte, weiter.«
Die Indianer sahen dem seltsamen Ritual mit großen Augen zu. Ihnen musste das Ganze wie Zauberei vorkommen. Oskar verstand sie nur zu gut. Er konnte es ja selbst kaum glauben.
Der Priester blickte auf den Kasten und beantwortete gewissenhaft weiter alle Fragen, die Charlotte ihm stellte. Seine Worte wurden immer verständlicher. »Ihr Weitgereisten … die ihr über das Meer zu uns gekommen seid«, drang es aus dem Lautsprecher, »… seid willkommen.«
Die Stimme war mechanisch, aber gut zu verstehen.
»Das ist ja unfassbar!«, entfuhr es Oskar. »Was für ein fabelhaftes Gerät! Kann es nur Ketschua oder noch andere Sprachen?«
»Theoretisch kann man damit jede beliebige Sprache übersetzen«, erwiderte Humboldt und wischte sich über die schweißnasse Stirn. »Voraussetzung ist natürlich, man spricht genug davon, um das Linguaphon zu kalibrieren.«
Oskar musste grinsen. »Das wäre wirklich mal eine Alternative zu dem stupiden Pauken von Vokabeln«, sagte er. Nicht, dass er das jemals getan hätte, aber in seinen Büchern wurden Schulen immer als Orte trostlosen Paukens und strenger Zucht beschrieben. Wehe, man hatte nicht genügend gebüffelt, dann musste man gleich in den Karzer.
»Mit einem solchen Apparat wäre das Lernen von Sprachen ein Kinderspiel«, sagte er. »Einmal kalibriert, kann man sich mit jedem Menschen auf der Welt unterhalten.«
»Ein solcher Apparat kann niemals ein Ersatz für eine gute Schulbildung sein«, sagte Humboldt. »Aber für unseren Zweck ist er natürlich von Vorteil. Voraussetzung ist allerdings, dass ich ihn von seinen Kinderkrankheiten befreien kann.«
»Von welchen?«
»Zum einen ist er höchst empfindlich, was Dialekte oder sonstige Sprachverunreinigungen betrifft. Zum anderen verbraucht er eine Menge Strom.« Humboldt deutete auf die kleinen Kartuschen, die seitlich in der Ledertasche steckten. »Man kann sie zwar wieder aufladen, aber man braucht natürlich eine Stromquelle. Ohne Elektrizität ist der Apparat tot.« Er seufzte. »Ich kann nur hoffen, dass dieses Volk Strom herstellen kann, sonst ist es bald vorbei mit der Völkerverständigung.«
Oskar hörte nur mit halbem Ohr hin. Vor sich sah er eine Fülle an Möglichkeiten. Geschäftlichen Möglichkeiten. Dieses Gerät in Serie hergestellt, konnte einen geschäftstüchtigen Mann über Nacht zum Millionär machen. Allein die Lizenzgeschäfte würden ihre kühnsten Träume übertreffen. Ob Humboldt sich das schon einmal überlegt hatte?
Mürrisch und leise vor sich hin fluchend, drehte und kalibrierte dieser an dem Kästchen und es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich zufrieden war.
»So«, sagte er, schwer atmend. »Dann wollen wir es mal versuchen.« Er lehnte sich zurück, verbeugte sich und begann dann, sich vorzustellen. Langsam und in klar verständlichen Worten erzählte er dem Mann von ihrer Expedition. Er erzählte von den Fotoplatten, der langen Schiffsreise und ihren Schwierigkeiten mit Alvarez. Als er zum Schluss kam, bedankte
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