Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
gab noch zwei Schüsse ab, diesmal in die Hals- und Bauchregion, doch immer mit dem gleichen Ergebnis.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, hörte Max die Söldnerin. »Die Kugeln prallen ab wie Erbsen. Ich weiß schon, warum ich Schusswaffen nicht leiden kann.« Sie ließ den Colt zurück in das Holster gleiten. Das Biest gab ein wütendes Fauchen von sich und machte einen Buckel. Der Wald von Stacheln auf seinem Rücken richtete sich auf. Die Söldnerin zog ihr Schwert. »Runter mit Ihnen!«, schrie sie. »Runter und in Deckung!« Im nächsten Moment gab es einen Knall, als würde jemand eine aufgeblasene Butterbrottüte mit den Händen zerplatzen lassen. Einer der Stacheln löste sich und flog in atemberaubendem Tempo auf sie zu. Max duckte sich. Er konnte gerade noch sehen, wie Valkrys ihr Schwert durch die Luft sausen ließ und das Ding in der Mitte zerschlug. Wie ein chinesisches Essstäbchen landete ein Stück davon vor Peppers Füßen. Irgendeine durchsichtige Flüssigkeit troff aus der Spitze.
Mit Schaudern wandte er sich ab und ging weiter. Valkrys folgte ihm. Mit ihrem Daito in der Hand und langsam rückwärtsgehend, sah sie aus wie eine Seiltänzerin, die einen komplizierten Hochseilakt vollführte. Ihr Auge sah jede Bewegung des Insektes voraus. Wollte es nach oben ausbrechen, hob sie ihr Schwert. Ließ es sich zurückfallen, blieb sie stehen und wartete ab. Schnellte es nach vorn, begab sie sich sofort in eine Verteidigungsposition, die das Insekt nicht zu durchdringen vermochte. Enttäuscht von den schnellen Reflexen seiner Gegnerin, schoss das Insekt noch zwei oder drei Salven von Stacheln ab – manchmal sogar mehrere auf einmal –, doch immer ohne Erfolg. Die Frau war einfach zu schnell.
Max konnte richtiggehend sehen, wie die Kreatur immer wütender wurde. Ihre Bewegungen wurden hektischer, die Attacken zunehmend aggressiver. Als sie einmal zu dicht an sie herankam, verließ Valkrys ihre Deckung, schnellte nach vorn und hieb dem Biest einen Fuß ab. Taumelnd und kreischend vor Schmerz ließ es sich ein paar Meter zurückfallen, nur um im nächsten Augenblick mit noch mehr Nachdruck anzugreifen.
»Machen Sie endlich, dass Sie hier wegkommen!«, schrie sie Max über die Schulter hinweg an. Der Schweiß strömte über ihr Gesicht. »Bringen Sie sich in Sicherheit, hier wird es gleich heiß hergehen!«
»Was haben Sie vor?«
Doch die Söldnerin war nicht in der Lage zu antworten. Sie musste eine Finte des Rieseninsekts parieren, das sich gerade dazu entschlossen hatte, einen Angriff von unten zu wagen. Es schnellte vor und erwischte Valkrys mit einer seiner messerscharfen Scheren am Unterschenkel. Max konnte sehen, wie die hornige Spitze das Leder der Hose durchtrennte und die Haut ritzte. Blut quoll hervor. Die Kämpferin ließ sich davon jedoch nicht ablenken. Es hatte fast den Anschein, als hätte sie darauf gewartet, dass der Angreifer diesen Fehler begehen würde. Über dem Insekt stehend, befand sie sich nun in einer wesentlich besseren Schussposition. Aus dem versteckten Bolzenschussapparat an ihrem Handgelenk feuerte sie ein Fangseil ab. Das etwa drei Meter lange Metallseil war an beiden Enden mit kleinen Kugeln beschwert, sodass es punktgenau auf ein sich bewegendes Ziel abgefeuert werden konnte.
Schwirrend flog es durch die Luft und wickelte sich um die beiden rechten vorderen Extremitäten der Riesenschrecke. Derart zusammengeknotet, konnte diese ihre Beine nur noch bedingt verwenden. Max ahnte, was die Söldnerin vorhatte. Sie spielte auf Zeit. Mit jeder Minute, die verstrich, machte sie immer mehr Gliedmaßen des Angreifers unbrauchbar. Das Wesen konnte sich jetzt nur noch mit drei Beinen festhalten. Sein Gang wurde unsicher. Steine und Geröll lösten sich von der Felswand, weil das Gewicht nicht mehr richtig verteilt war. Es schien seinen Fehler begriffen zu haben und zog sich zurück. Humpelnd und fauchend ließ sich die Kreatur etwa fünfzehn Meter zurückfallen. Ganz offenbar hatte sie Respekt vor der Söldnerin. Sie schien zu überlegen, welche Strategie wohl die beste sei, um diese lästige Beute endlich zu erledigen. Valkrys nutzte die Atempause dazu, das eine Ende des Seils zu einem dicken Knoten zu binden. Das andere band sie sich fest um die Hüfte. Dann drückte sie den Knoten in eine Felsspalte. Max hatte keine Ahnung, was sie vorhatte. »Was tun Sie denn da?«, rief er ihr zu. »Das ist doch Wahnsinn! Damit berauben Sie sich doch jeglicher Fluchtmöglichkeit. Es sind
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