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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hen Hermanns
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daß du gar keine Turbo-Meditation brauchst.«
    »Wieso eine ruhige, gerade Linie?«
    »Daran erkennt der Fachmann den Gehirntod. Schönen Abend noch, die Herren.«
    Vielleicht hatte doch jemand auf mich geschossen, dem ich verbal zu nahe getreten war. Ich weiß nicht, was es ist, vielleicht würde eine Psychoanalyse mich als zwanghaften Beleidigungstriebtäter entlarven. Selbst die schlagkräftigsten Schulhofkönige waren schon vor meinen gehässigen Bemerkungen nicht sicher gewesen. Klar, daß ich von Kindesbeinen an ein talentierter Sprinter war. Wie heißt doch das alte chinesische Sprichwort: Wer die Wahrheit spricht, der braucht ein schnelles Pferd.
    Ich brauchte jetzt noch ein Glas Wein. Sigi gab mir eins. Sigi war seit zwei Jahren mein Art-Director bei W.A.T.CH. Wir waren ein ziemlich gutes Team. Ich konnte unerträglich ungeduldig sein, und Sigi war exzessiv lethargisch. Irgendwie kamen dabei ganz gute Sachen heraus.
    »Wer ist diese Alwine, Sigi?«
    »Schauspielerin. Sie gibt Goethes >Stella< auf einer Kölner Kleinbühne.«
    »Und was gibt sie sonst noch?«
    »Da würdest du was für geben, was?«
    »Ich denke schon«, seufzte ich. »Vorgestern noch ein Streifschuß und heute mitten ins Herz.«
    »Du lieber Gott. Vergiß lieber nicht, daß wir nächste Woche die Kamphausen-Präsentation haben. Mir fehlen da noch einige gute Headlines.«
    »Kriegst du alles. Headlines wie in Stein gemeißelt, Jung-Siegfried. Aber du mußt mir einen Gefallen tun. Sag doch Alwine bitte irgendwas Nettes über mich, sag ihr, daß ich nicht so ein zynischer Werbefuzzi bin, wie sie vielleicht meint, sondern nur im Moment etwas nervös und sonst aber nett, praktisch eine Seele von Mensch.«
    »Gelogen wird nur während der Arbeitszeit.«
    »Ach komm, Sigi, ich meine es ernst.«
    »Oh, Max Ernst. Ich werde sehen, was ich tun kann. Soll ich ihr auch von der Inschrift auf deiner Bettkante erzählen? >Wer zählt die Kerben, nennt die Namen    »Ich meine es wirklich ernst, Sigi. Du wirst auch Trauzeuge.«
    Sigi legte den Kopf schief und schaute mich mit einer Miene an, die irgendwo zwischen Alfred Biolek und Woody Allen lag.
    »Na gut, dann werde ich mal auf Brautsuche gehen. Macht es dir was aus, daß sie von einem reichen Pfeffersack ausgehalten wird?«
    Ich wurde blaß, und in meinem Magen explodierte ein Mehrfachsprengkörper.
    »War nur ein Gag. Bis gleich.«
    Ich nahm einen Schluck und sah mich ein bißchen um. Alle waren angezogen, als kämen sie gerade von einer Beerdigung. Einer ziemlich schicken Beerdigung allerdings, bei der die aufgebahrte Leiche noch mal tief ins Dekolleté der Damen schauen durfte. Und die Herren waren alle so betroffen vom Tod des liebwerten Dahingegangenen, daß sie das Gelöbnis abgelegt hatten, sich nur noch alle drei Tage zu rasieren. Ich strich mir übers Kinn und sah an mir herunter. Auch nicht besser. Max Reinartz im maximalen Zeitgeist-Outfit. Nur einmal war ich modisch ausgestiegen, als ich noch bei der TEAM in Düsseldorf arbeitete und dort plötzlich Bermudas mit Hemd und Krawatte in wurden. Es war so schlimm, daß ich sogar die Agentur wechselte. Und die Stadt. Ich wollte Düsseldorf wenigstens im Privatleben nicht mehr sehen und zog nach Köln. Als dann Schwarz in der Branche aufkam, zog ich modisch wieder mit. Damit kann man sich auch in Köln sehen lassen und fällt selbst in Heidis Top-Kiosk an der Ecke nicht auf. Jetzt kam Art-Director Jürgen Fritsche auf mich zu. Irgendwie war es ihm gelungen, in diesem italophilen Loft an seinen Lieblingsstoff zu kommen. Triumphierend zeigte er auf sein Altbierglas. Jürgen hatte einige Zeit bei einer Agentur in Hamburg gearbeitet, war aber nach kurzer Zeit wegen starken Heimwehs nach einem Altbierlokal namens >Füchschen< wieder nach Düsseldorf zurückgekehrt. Von Hamburg war nur noch die Angewohnheit übriggeblieben, ständig Kaschmirpullover zu tragen.
    »Was machst du denn für Sachen, Max? Auf dich ist geschossen worden, hab ich gehört?«
    »Kannst du gar nicht gehört haben, war doch mit Schalldämpfer.«
    »Und, immer noch keine Ahnung, wer es war?«
    »Nee! Du?«
    »Die Frage des Abends dreht sich eigentlich weniger darum, wer es war, sondern darum, ob du es verdient hast oder nicht.«
    »Wie nett. Und das Resultat?«
    »Wenn ich so die Heerscharen der von dir Erniedrigten und Beleidigten betrachte, würde ich eine Formulierung aus der Sportschau benutzen: Verdient, hoch verdient.«
    Und dann, halb zog sie mich, halb sank ich hin, saß

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