Ciao Tao
die eingelagerten Veuve-Clicquot-Flaschen leise klirren.
W.A.T.CH. waren die Initialen von >We are the Champions<, und die Champions waren Manfred D. Eckert, Peter Leyendecker und Harald Eickholt. Leyendecker und Eickholt waren allerdings schon lange keine Champions mehr, sondern bereits zwei Jahre nach Agenturgründung aus dem wunderschönen Jugendstilhaus in Düsseldorf-Oberkassel geflogen. Ohne Abfindung, wie es hieß. Dafür hatte Eckerts spezieller Freund Herbert Kahle gesorgt, zuständig für die Buchhaltung und Angebote, die man nicht ablehnen konnte.
Jetzt lehnte sich Eckert in seinem Stuhl am oberen Ende des Tisches zurück, biß auf der Kappe eines dicken Montblanc-Füllers herum und starrte mich an. Mit seinen schätzungsweise auf 190 cm verteilten 120 Kilogramm mutete er dem eleganten Eames-Design einiges zu. Und seinen Angestellten mit seiner Mentalität. Er sah aus wie der Zwillingsbruder von Orson Welles als Citizen Kane. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn er plötzlich »Rosebud« gesagt hätte. Aber er sagte überhaupt nichts und starrte mich nur weiter an. Dann fiel ihm wohl ein, warum er mich hatte rufen lassen. Er nahm den Füller aus dem Mund und lachte. Neben ihm lachte Hans-Peter Lütgenau, zur Zeit Eckerts Lieblingsklient, dem gegenüber saß mit gehetztem Blick Rolf Schulze, Etat-Director bei W.A.T.CH., neben dem grinste Thomas Naßkemper, Lütgenaus Chefeinkäufer. Lütgenau war Inhaber eines Modeladens namens High-Fashion, und so sah er auch aus. Einschließlich IWC-Mondphasenuhr lümmelten sich auf seinem Stuhl rund 30000 Mark herum.
»Erzählen Sie doch mal von gestern, Herr Reinartz. Die Leute hier wollen mir einfach nicht glauben, daß in meiner Agentur ein Texter arbeitet, auf den morgens beim Joggen geschossen wird.«
Sehr witzig. Ich berichtete kurz, was passiert war. Das Wort Jogging ließ ich erst mal so stehen. Ich bin kein Jogger, sondern ein Langstreckenläufer.
»Wäre doch schade um die guten Headlines gewesen«, meinte Lütgenau.
Arschloch.
»Waren Sie denn bei der Polizei?«
»Sicher. Aber was sollen die machen? Ich habe niemand gesehen, und es gab keine Zeugen. Und vor allem gibt es kein Motiv. Ich habe absolut keine Ahnung, wer einen Grund dafür haben könnte, mich abzuknallen. Nur weil ich hin und wieder vielleicht mal etwas persönlich formuliere, wird mich doch keiner umnieten wollen.«
»Aber der Lütgenau bringt Sie um«, dröhnte Eckert. »Die Funkspots, die Sie eben gehört haben, Herr Lütgenau, hat nämlich Reinartz letzte Woche produziert. Und wie immer liegt er mit zwei Mille über dem Kostenvoranschlag.«
Lütgenau sah gelangweilt zu seinem Chefeinkäufer rüber.
»Das können später Schulze und Naßkemper miteinander ausmachen. Ich wollte eigentlich heute über den Flagship-Store in München sprechen, das wissen Sie doch.«
Ausgerechnet den Flagship-Store hatte Lütgenau in den Sand gesetzt. Das hatte ich schon im Wirtschaftsteil der Tageszeitung gelesen. Man machte sich in dem Artikel ziemlich hämisch über Lütgenau her. Es hieß, den Schiffbruch habe er allein zu verantworten, denn er habe keine Ahnung vom Modegeschäft und ein besonderes Talent, immer auf die falschen Kollektionen zu setzen. Und dann hieß es auch noch, er wäre wohl besser bedient, wenn er sich voll auf seine obskuren Import-Export-Geschäfte konzentrierte, sein eigentliches Metier. Es war offensichtlich, daß der Autor Lütgenau nicht besonders mochte. Ich mochte ihn auch nicht. Lütgenau war ein fünfzigjähriger, prototypischer graumelierter Düsseldorfer Arsch mit pompös-krachendem Auftreten, der mit einem obszön großen Daimler durch die Gegend kachelte und mittags in Düsseldorfer In-Lokalen anderen prototypischen graumelierten Düsseldorfer Ärschen detailliert und lärmend beschrieb, wie oft, wie lange und in welchen Positionen er angeblich seine gerade favorisierte Gespielin auf seinem Schreibtisch gefickt hatte. Ich mochte ihn wirklich nicht. Aber man kann sich seine Kunden nicht aussuchen. Seinen Flop in München hatte Lütgenau natürlich nach seiner Aussage einemGeschäftspartner zu verdanken, einem schwulen Designer, Versager, Betrüger, Flachwichser und so weiter und so weiter. Lütgenau redete sich immer mehr in Rage. Keine Rede allerdings davon, daß er zur Zeit absolut klamm war und auch bei W.A.T.CH., wie mir Eckerts Sekretärin gesteckt hatte, für bereits gebuchte Anzeigen schwer in der Kreide stand. Ich fragte mich, wie er überhaupt noch
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