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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hen Hermanns
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ich plötzlich mit Alwine auf einem kleinen Designer-Sofa. Ich war so von Sinnen, daß ich keinerlei körperliche Schmerzen auf diesem Möbel spürte.
    »Sigi sagte mir, du wärst gar nicht so bescheuert, wie du dich aufführst. Kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen.«
    »Ich bin sogar noch schlimmer. Jedenfalls im Moment. Ich mag es nicht, wenn man auf mich schießt. Stell dir vor, der hätte mich richtig getroffen. Dann hätte ich dich nicht kennengelernt.«
    »Kannst du eigentlich nie ernst sein?«
    »Doch. Gerade in dieser Sekunde. Heute morgen bin ich über eine Rheinbrücke gelaufen und habe geschrien, so laut ich konnte. Das befreit manchmal.«
    Alwine zupfte imaginäre Flusen von ihrem kleinen Schwarzen.
    »Das kenne ich gut. Ich mach das manchmal im Auto.«
    Wir kamen dann schnell darauf, was Alwine sonst noch so machte, wenn sie nicht gerade im Auto herumschrie. Ihre neueste Rolle, der Job in einem Szene-Café, ihre letzte Beziehungskiste, Hoffnungen, Ängste, Träume, all das, was man sich immer erzählt und erzählt, bis man auf einmal merkt, daß die Party längst vorbei ist oder die Kneipe geschlossen hat, und schweigt und sich anschaut und weiß, daß jetzt eine Entscheidung zu treffen ist. Wir entschieden uns dafür, daß es bessere Einrichtungsgegenstände als Sigis Designermöbel geben mußte. Möbel, auf denen man sogar liegen konnte. Und Alwine gab mir zu verstehen, daß sie so ein gutes Stück zu Hause hatte.

4 .

    Alwine war eine von diesen Frauen, die Männer mit Problemen mögen. Und mein Problem war schon nicht uninteressant und hatte eine gewisse Größe. Eine ganz andere gewisse Größe fiel aber im entscheidenden Moment in sich zusammen. Pariser geben zwar Aids keine Chance, aber dem maximalen Max manchmal auch nicht. Alwine rollte sich von mir und vom Futon und schob Glenn Goulds Goldberg-Variationen in den CD-Player. Die Musik wirkte so beruhigend wie gewünscht und führte dazu, daß uns auch einige schöne Variationen gelangen. Alwine wohnte in einem Appartement in der Kölner Altstadt, mit direktem Blick vom Bett auf die prachtvolle Groß-St. Martin-Kirche. Am nächsten Morgen fragte ich sie, wie lange sie schon dort wohnte.
    »Zwei Jahre. Warum?«
    »Dann bin ich in diesen zwei Jahren bestimmt schon vierhundert Mal sozusagen unter deinem Bett vorbeigelaufen. Liegt an meiner Trainingsstrecke.«
    »Ach ja, du bist ja Langstreckenläufer. Deshalb lief es ja dann doch noch ganz gut.«
    Was uns gleich noch eine Ehrenrunde wert war. Als Alwine dann später zum Frühstück Verdis >Don Carlos< auflegte, war es endgültig um meinen Verstand geschehen. Es kam die unglaubliche Stelle, wo der auf dieser Aufnahme ausnahmsweise überzeugende Placido Domingo zusammen mit dem unvergleichlichen Sherrill Milnes das große Lied von der ewigen Treue singt. Und dann auch noch Alwine und Cornflakes mit Erdbeeren. Ich war wirklich fein raus. Wir machten einen langen Spaziergang am Rhein, einen Mittagsschlaf ohne Schlaf, und am Nachmittag machte ich nach einer genauen Überprüfung von Alwines Küche folgendes: Ich schnitt vier Knoblauchzehen in dünne Scheiben und bräunte sie in Olivenöl an. Ich schnitt vier Tomaten in kleine Würfel und gab sie mit kleingeschnittener Petersilie und einem viertel Pfund Shrimps dazu. Dann kochte ich Spaghetti. Dem Ganzen gab ich den Namen >Pasta Alvinetta< und servierte es mit eiskaltem Soave und Donizettis >Lucia di Lammermoor<. Bellinis beschwingte Oper >La Somnámbula< paßt zu diesem eher leichten Sommer-Gericht zwar besser, war aber in Alwines Plattensammlung nicht vorrätig. Und dann mußte Alwine leider zur Probe ins Theater und anschließend noch zum Geldverdienen ins Café. Und auf mich wartete zu Hause eine nette kleine Überraschung. Für meine Wohnungstür war es nur ein kleiner Spalt, aber für mich ein riesiger Schreck: sie war offen.
    Ich trat so fest gegen die Tür, daß sie gegen die Garderobe knallte. Da stand schon mal kein Killer. In der Küche auch nicht. Auf dem Balkon nicht. Nicht im Wandschrank, nicht im Bad, nicht im Wohnzimmer, nicht im Schlafzimmer. Alles war wie immer. Nur mein Magen nicht. Ich mußte kotzen. Und danach mußte ich mich erst mal setzen und ein paar klare Gedanken fassen. Hatte ich gestern abend in meiner aufgescheuchten Hektik die Tür nicht richtig zugemacht? Dagegen sprach eigentlich, daß ich beim Duschen sogar die Badezimmertür hinter mir verrammelt hatte. Ich mußte also mit ziemlicher Sicherheit die Wohnungstür

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