Cigams Sündenfall
sollte auf keinen Fall sehen, daß ich meinen Trumpf, das Kreuz, hervorholte. Hinter ihr stand der Teufel, er hatte sie geschaffen, und sie würde der Kraft des Kreuzes nichts entgegenzusetzen haben.
Ich blieb noch immer geduckt.
Dann hörte ich ihre Schritte.
Mein Plan schien zu klappen.
Altea kam näher.
Ihre Füße schleiften dabei über den Boden, und mit Flüsterstimme gab sie ihr Versprechen ab. »Ich werde dich kriegen. Ich werde dich zerfleischen, Sinclair…«
Aus meiner geduckten Haltung peilte ich nach vorn. Ich mußte den richtigen Zeitpunkt abpassen, und das würde nicht so einfach werden.
Wenn sie mich einmal erwischte und mit ihren irrsinnigen Kräften gegen einen Grabstein schleuderte, konnte ich mir möglicherweise das Genick brechen. Costellos Flug hatte ich nicht vergessen.
»Du hast Angst, Sinclair. Du hast eine verdammte, hündische Angst.«
Von oben her klang mir ihre Stimme entgegen, und ich ließ sie reden.
Sollte sie darin schwelgen. Sie ging wieder einen Schritt vor.
Jetzt sah ich sie besser.
Ihre Beine gerieten in mein unmittelbares Blickfeld. Sie bewegten sich wie zwei Stangen durch den Schatten. Wenn ich meine Hände ausgestreckt hätte, ich hätte sie erwischt.
Ich tat es nicht.
Dafür schnellte ich aus der Hocke hervor blitzartig in die Höhe. Meine Gestalt verwandelte sich in einen gestreckten Schatten. Ob ein Wesen wie Altea auch Schrecken empfinden konnte oder zumindest Erschrecken, es war mir nicht bekannt.
Jedenfalls stand ich so dicht vor ihr, daß der Begriff hautnah gepaßt hätte.
Innerhalb einer winzigen Sekunde nahm ich die Eindrücke voll auf. Ich sah ihre dunklen Augen, auch die Furcht darin, ich sah das durch den nach unten gezogenen Hautlappen verunstaltete Gesicht, und ich sah die Mechanik hinter der Stirn.
Genau das war mein Ziel.
Aber nicht nur meines, auch das des Kreuzes.
Und ich rammte meinen Talisman in die Lücke hinein!
***
Cigam zu beschreiben, war kaum möglich. Man konnte ihn höchstens als das kalte Grauen ansehen. Er sah menschenähnlich aus, aber er war trotzdem nicht so gelungen, wie es sich der Teufel vielleicht vorgestellt hatte. Der Satan war nicht Gott, er mußte einen schlechten Tag bei Cigams Herstellung erwischt haben, denn in dessen Gesicht stimmten die Proportionen nicht. Alles, was nur schiefsitzen konnte, war dort aus den Fugen geraten. Das fing bei den Augen an, ging weiter über die Nase, auch den Mund und setzte sich an dem runden Kinn fort.
Die Augen blinkten wie zwei Signale von einem fremden Raumschiff. Die Haut war fahl, aber in ihr lag ein silbriger Schimmer. Er sah Suko so dicht vor sich, und der sowieso schon schiefe Mund kippte noch weiter ab.
Das alles hatte auch Milena gesehen. Zwar kannte sie Cigam aus Beschreibungen, doch das war etwas anderes, als ihn in voller Größe dicht vor sich zu sehen.
Sie spürte die innere Angst, die diese Gestalt ihr gab, sie wollte weg, aber sie schaffte es nicht. Die verdammten Augen bannten sie auf der Stelle.
Nicht bei Suko.
Er besaß die Peitsche, und er glaubte fest daran, daß sie stärker als Cigam war.
Leider war diese Kunstgestalt des Teufels ein wenig zu früh erschienen.
Suko mußte erst noch ausholen, um die Riemen in der Gegenbewegung auf das Ziel zu dreschen.
Er drückte den Arm nach hinten. Cigam reagierte!
Wahrscheinlich konnte er nicht denken, es war einfach der reine Überlebensinstinkt, der ihn so handeln ließ, und er bewies den beiden, welch eine Kraft in ihm steckte.
Bevor Suko die Peitsche und damit auch die drei Riemen in seine Richtung schlagen konnte, hatte Cigam eine der Grabplatten mit beiden Händen an den Rändern umklammert.
Eine kurze Kraftanstrengung reichte, und er hatte die Platte aus dem Erdreich gerissen.
Da schlug Suko zu.
Cigam riß die Grabplatte hoch.
Die Riemen erwischten das alte Gestein, aber nicht die Gestalt dahinter.
Suko hörte das Klatschen, er wußte in diesem Augenblick, daß Cigam schlauer gewesen war, und plötzlich befanden sich beide in höchster Gefahr.
Cigam würde die Platte einsetzen.
Suko schlug kein zweites Mal mehr zu. Er warf sich zur Seite. Dabei prallte er gegen Milena Novak und riß die Frau mit um. Daß sie in eine Lücke zwischen den Steinen fielen, war Glück, denn gleichzeitig sauste die Platte, von Cigam gewuchtet, nach unten.
Sie hätte getroffen, und sie hätte ihnen auch einige Knochen gebrochen, wenn nicht noch mehr.
So aber verfehlte die Platte sie und tickte mit ihrer Unterseite auf den
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