Cigams Sündenfall
Umgebung. Ich ging davon aus, daß unsere anderen beiden Feinde in der Nähe lauerten, aber es war einfach nichts zu sehen. Der Friedhof lag unter einem düsteren Tuch begraben, nur über den Bäumen schimmerten noch hellere Flecken durch die anbrechende Dämmerung.
Milena trat dicht an mich heran. »Ich habe Sie so hart noch nicht erlebt, John.«
»Sie kennen Costello nicht. Er ist ein Schwein.«
Sie dachte einen Moment lang nach. »Vielleicht haben Sie recht, John, ich bin auch möglicherweise zu naiv, aber ich möchte Ihnen sagen, daß ich mit derartigen Gangstern noch keine Erfahrungen habe sammeln können. Der Sozialismus liegt noch nicht lange zurück, und in der damaligen Zeit haben wir es mit anderen Typen zu tun gehabt. Das war mehr politisch.«
»Ich weiß.«
»Also müssen wir umdenken, leider hat es die Mafia bereits geschafft. Zumindest einen Fuß hat sie in diese Stadt und auch in das Land hineinsetzen können. Wir wollen verhindern, daß noch ein zweiter hinzukommt.«
»Richtig, und deshalb können Sie meine Reaktion Costello gegenüber verstehen. Es gab Zeiten, da war er ein Verbündeter des Teufels und noch rücksichtsloser als heute.«
»Wie das?«
»Ich kann es Ihnen erzählen, wenn wir mehr Zeit haben.« Nach dieser Antwort drehte ich mich um, weil ich sehen wollte, wie weit Suko mit seiner Befreiungsaktion gekommen war.
Er schnitt soeben die letzten dünnen Stricke durch. Costello stand zwar auf den eigenen Füßen, nur schaffte er es nicht, sich auch zu halten. Er schwankte, und er wäre auch gefallen, hätte Suko ihn nicht kräftig abgestützt.
Auf ihn traf der Vergleich mit dem berühmten Häufchen Elend zu.
Die dünnen Stricke hatten seine Blutzirkulation beeinträchtigt, er konnte auf seinen eigenen Beinen den Friedhof nicht verlassen und würde hier am Grab bleiben müssen.
Deshalb drückte ihn Suko in die Knie. Zitternd und dabei keuchend setzte er sich hin. Mit dem Rücken lehnte er an der historischen Grabstätte, aber er war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Nur seine Augen bewegten sich, und in ihnen steckte die Furcht, denn auch er rechnete jeden Augenblick mit dem Erscheinen der beiden magischen Kunstgeschöpfe.
Ich trat vor Costello. »Kommen wir mal zur Sache, Meister. Man hat Sie hierhergeschafft, nicht wahr?«
»Sicher.«
»Sie wurden gefesselt und dann? Was geschah dann? Ich möchte, daß Sie es mir genau erklären.«
»Da gibt es nichts zu sagen«, flüsterte er, »sie sind verschwunden, verstehen Sie? Einfach weg. Sie haben sich umgedreht und sind gegangen, als wäre ich nicht vorhanden.«
»Haben sie darüber gesprochen, wohin sie wollten?«
»Nein!«
»Aber sie lauern?«
»Ich gehe davon aus.« Er wischte sich mit einer müden Bewegung über seine aufgeplatzten Lippen.
Ich hatte mich bei meiner Unterhaltung mit ihm gebückt und richtete mich nun wieder auf. Suko sah so aus, als wollte er mich ansprechen, was er auch tat.
»Sollen wir uns trennen und das Gelände hier einzeln durchsuchen?«
Er hatte es nicht grundlos gesagt, Suko sprach da aus einer guten Erfahrung. Ich wäre auch im Prinzip einverstanden gewesen, doch hier hatte ich meine Bedenken.
»Nein, wir werden uns nicht trennen. Du weißt, wie gefährlich Cigam ist, und hier hat er noch Hilfe bekommen. Wir können Altea ebenfalls nicht richtig einschätzen. Ich bin dafür, daß wir zusammenbleiben.«
»Hier warten?«
»Auch…«
»Was heißt das?«
Ich wußte es ja selbst nicht. »Wenn Costello ein Lockvogel gewesen ist, dann müssen wir einfach davon ausgehen, daß dieser Platz hier etwas Besonderes ist. Cigam und Altea haben uns hierher haben wollen, das steht fest, und sie werden sich zeigen. Vielleicht sind wir ihnen durch Costellos Befreiung bereits ein Stück entgegengekommen. Rechne also damit, daß sie bald kommen. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß sie nur abwarten, bis es ganz dunkel geworden ist.«
Suko sah es lockerer.
»Wir haben unsere Lampen.«
Costello meldete sich. Er hatte unser Gespräch mitbekommen, und es war ihm persönlich gegen den Strich gegangen. »Scheiße, verdammte Scheiße! Ihr seid verrückt. Ihr seid doch nicht mehr richtig im Kopf. Wenn die hier erscheinen, werden sie euch killen. Sie… sie… sind einfach besser, das könnt ihr mir glauben.«
»Sie haben Angst um Ihre Haut«, stellte Suko fest.
»Habe ich auch.«
»Bitte, Sie können gehen!«
Costello prustete die Luft aus den Lungen. »Was hast du da gesagt, Chinese?« Er wurde schon wieder
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