Cinderella kehrt zurück
eingestöpselt und die Bohrmaschine ebenso. Als sie dann auch noch die Mikrowelle angestellt hatte, war wohl eine Sicherung herausgesprungen.
Nun fragte sie sich nur noch eins: Wo um Himmels willen war der Sicherungskasten?
Das einzige Licht, das sie momentan hatte, ging von den Laternen in der kleinen Gasse aus, und das brachte nicht viel. Irgendwo hatte Eden zwar eine Taschenlampe, sie wusste aber nicht, wo.
Sie brauchte also eindeutig Hilfe. Zumindest musste ihr jemand sagen, wo der Sicherungskasten war. Aber wen sollte sie da fragen? Ihre Schwester Eve war gerade in Billings und kutschierte dort ihren Großvater, den ehemaligen Pfarrer, durch die Gegend.
Vielleicht die Maklerin?
Eden bahnte sich ihren Weg an den Umzugskartons vorbei, bis sie schließlich ihr Handy fand. Sie suchte die einprogrammierte Nummer heraus, hatte aber bloß den Anrufbeantworter dran: Betty war weder heute noch morgen zu erreichen, informierte sie die Ansage.
Also blieb Eden nur eine einzige Lösung.
Ihr Haus hatte offenbar den gleichen Grundriss wie das ihres Nachbarn. Bestimmt waren auch die Sicherungskästen an derselben Stelle.
Außerdem hatte Cam Pratt höchstwahrscheinlich eine Taschenlampe, die sie sich kurz ausleihen könnte …
Cam Pratt.
Nicht schon wieder!
„Heute ist wirklich nicht mein Tag“, murmelte Eden vor sich hin.
Und wenn sie jetzt einfach ins Bett ging, ohne vorher noch etwas zu essen? Dann könnte sie morgen früh nach dem Sicherungskasten suchen, sobald es hell war.
Andererseits war auch die Nachtspeicherheizung von der Stromzufuhr abhängig. Es war mitten im Winter, und hier in Montana wurde es immer ganz besonders kalt. Wenn ihr dabei die Wasserrohre einfroren, würden sie möglicherweise platzen, und dann gäbe es eine Überschwemmung.
Das wäre eine Katastrophe!
Also entschied Eden sich für das geringere Übel: Sie beschloss, Cam Pratt um Hilfe zu bitten.
Wenn Eden sich schon so weit erniedrigen musste, an Cam Pratts Haustür zu klingeln, dann wollte sie dabei wenigstens einigermaßen annehmbar aussehen.
Als sie von der Polizeiwache zurückgekommen war, hatte sie sich für die Arbeit im Haus eine Schlafanzughose aus Flanellstoff angezogen und dazu ein langärmeliges gefüttertes Sweatshirt. Die Kleidung war bequem und alles andere als gewagt, deswegen beschloss sie, sich nicht noch einmal umzuziehen.
Mit ihrem Gesicht und ihrem Haar war sie allerdings nicht ganz so zufrieden. Gut, bei jedem anderen wäre sie einfach so gegangen, wie sie jetzt war: ungeschminkt und mit schiefem Pferdeschwanz. Allerdings war Cam nicht einfach irgendjemand, also trug sie vorher im Mondschein etwas Rouge und Wimperntusche auf. Dann löste sie den Pferdeschwanz, bürstete die Haare kräftig durch und steckte sie ordentlich mit einer Spange hoch.
Sie zog sich einen Parka über und tastete sich bis zur Haustür vor. Dabei bereute sie, so lange gezögert zu haben: Immerhin war es nach zehn Uhr, vielleicht schlief er schon längst?
Falls ja, erfriere ich eben einfach, sagte sie sich. Ich wecke ihn jedenfalls nicht auf.
Cam war aber noch nicht im Bett. Als Eden ihre gemeinsame Auffahrt überquerte und die Treppen zu seiner Haustür hochstieg, bemerkte sie gleich das Licht in seinem Wohnzimmer. Da er keinerlei Sichtschutz an seinem Fenster angebracht hatte, entdeckte sie kurz danach auch ihn: Offenbar hatte er inzwischen geduscht und sich umgezogen, jetzt trug er eine graue Jogginghose und ein langärmeliges weißes T-Shirt. Das Oberteil saß so hauteng, dass es seinen durchtrainierten Oberkörper betonte: die breiten Schultern, die kräftigen Ar me und die muskulöse Brust.
Er sah wirklich umwerfend aus …
Mit einer Hand trocknete er sich gerade die Haare, mit der anderen hielt er eine Zeitschrift, wahrscheinlich ein Fernsehprogramm. Bis jetzt war ihm noch nicht aufgefallen, dass Eden draußen vor der Tür stand und ihn heimlich beobachtete.
Warum war aus dem gut aussehenden Teenager von damals bloß einer der attraktivsten Männer geworden, die sie kannte? Und warum ließ sie das nicht alles kalt?
„Ich bin ja nur müde“, sagte sie leise zu sich selbst.
Gerade legte er sich das Handtuch über die Schulter und fuhr sich durch das leicht wellige Haar. Sogar diese kleine, unbedeutende Bewegung hatte etwas unendlich Anziehendes, Erotisches.
Eden nahm sich zusammen, ging zur Tür und klingelte. Dann zwang sie sich dazu, nur noch geradeaus zu schauen, damit Cam nicht mitbekam, dass sie ihn längst im
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