Cinderella kehrt zurück
sie früher gehabt hatte. Mit ihren hohen Wangenknochen und ihrer schön geformten Nase strahlte sie dazu eine feine Eleganz aus.
Und trotzdem war und blieb sie eine dumme Kuh.
Die Zahnspange hatte offenbar auch ihren Dienst getan: Wenn sie den Mund öffnete, zeigte sie strahlend weiße, regelmäßige Zähne. Auch ihre Lippen waren nicht mehr so trocken und aufgebissen wie in der Highschool, sondern voll, geschmeidig und einladend …
Cam beschleunigte das Tempo seiner Sit-ups.
Und dann ihre Augen … Hinter den dicken Brillengläsern waren sie ihm früher wohl nie aufgefallen, aber jetzt fragte er sich, wie ihm so etwas hatte entgehen können: Sie waren so blau wie der Sommerhimmel und wirkten dabei gleichzeitig durchscheinend wie Kristall. Keine Frage: Aus dem hässlichen jungen Entlein von damals war eine umwerfend schöne Frau geworden.
Schnell drehte er sich auf den Bauch und begann mit den Liegestützen. Dabei bewegte er sich immer schneller und zählte laut mit – in der Hoffnung, sich dadurch von Eden ablenken zu können.
Aber das funktionierte nicht.
Als er bei einunddreißig ankam, fiel ihm auf, dass sie inzwischen genauso alt war. Und dass sie in diesem Alter viel weiblicher und attraktiver aussah als damals mit sechzehn. Statt ihrer knochigen Arme und Beine war ihm diesmal ihr fester, schlanker Körper aufgefallen … mit sanften Rundungen an den richtigen Stellen. Cam war wie gebannt gewesen.
Ja, Eden Perry hatte sich wirklich grundlegend verändert: zum Positiven.
Zumindest rein äußerlich.
Und innerlich? Da hat sich bestimmt nichts getan, sagte er sich mit einer gewissen Genugtuung. Allerdings hatte sie heute nichts getan oder gesagt, was auf einen miesen Charakter schließen ließ. Cam dachte angestrengt nach, aber ihm fiel einfach nichts ein. Im Gegensatz zu ihm selbst war sie eigentlich ganz umgänglich gewesen.
Ich war wirklich unausstehlich, dachte er. Und sie hat es mir nicht mal mit gleicher Münze heimgezahlt. Warum eigentlich nicht?
Da hätte sie früher noch anders reagiert. Damals hätte sie es ihm so richtig gegeben. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Allerdings war das inzwischen vierzehn Jahre her. Eden war sechzehn gewesen und hässlich wie die Nacht. Beides traf in zwischen nicht mehr zu. War es da nicht möglich, dass sie auch ihre Unverschämtheit, ihre Überheblichkeit und ihre durch und durch nervtötende Art abgelegt hatte?
Das würde ja an ein Wunder grenzen!
Während er darüber nachdachte, bewegte er sich immer langsamer, bis er schließlich ganz mit den Liegestützen aufhörte.
Cam stand auf und ging zur Hantelbank, um seine Armmuskulatur zu trainieren.
Eden Perry sollte also auf einmal ein völlig anderer Mensch geworden sein … Cam wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Vielleicht – aber wirklich nur vielleicht – hatte sie ja im Erwachsenenalter tatsächlich gelernt, ihre scharfe Zunge im Zaum zu halten.
Allerdings hieß das noch lange nicht, dass sich auch ihre Einstellung ihm gegenüber geändert hatte. Es hieß noch lange nicht, dass sie sich nicht nach wie vor für etwas Besseres hielt. Da konnte sie so umwerfend aussehen, wie sie wollte, und sich ihm gegenüber sogar mustergültig benehmen, das änderte alles nichts an dem, was sie ihm damals vor vierzehn Jahren zu verstehen gegeben hatte: dass sie ihn nämlich für strohdumm hielt.
So eine Frau konnte er ganz und gar nicht gebrauchen. Egal, wie sie aussah.
Und Eden Perry sah wirklich unverschämt gut aus …
Als Eden von der Polizeiwache nach Hause kam, zog sie sich schnell um und begann, ihr Schlafzimmer einzurichten.
Um halb neun Uhr abends war sie so weit, dass sie immerhin schon mal wusste, wo sie schlafen sollte. Außerdem hatte sie an beiden Schlafzimmerfenstern Rollläden und Vorhänge angebracht und einen Großteil ihrer Kleidung im Schrank verstaut.
Es war zwar noch nicht wirklich spät, aber nach diesem anstrengenden Tag war sie todmüde und schlapp und hatte dazu einen Riesenhunger.
Zum Glück hatte ihre Schwester Eve ihr bereits ein paar Vorräte vorbeigebracht. In der Speisekammer fand sie Brot, Chips und chinesische Nudelsuppe in mikrowellengeeigneter Verpackung.
Eden ging zur Spüle, um einen Suppenbecher mit Wasser zu füllen. Von dort aus sah sie ganz automatisch aus dem Fenster und zu den Garagen hinüber, deren Seitenwände sich fast berührten.
Das Fenster über Cams Garage war hell erleuchtet. Über Edens Garage befand sich eine kleine Wohnung, in der sie sich
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