Cinderella kehrt zurück
Hänseleien der anderen zu knabbern hatte. „Cam, es tut mir wirklich schrecklich leid, und ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen“, seufzte sie, und es kam von Herzen. „Natürlich war mir schon auf der Highschool völlig klar, dass du nicht dumm warst. Ich habe mich … einfach unmöglich aufgeführt, und eigentlich hätte mir das bewusst sein müssen, weil ich so etwas schließlich täglich am eigenen Leibe erfahren habe.“
Auch darauf reagierte Cam erst mal nicht.
Vielleicht reicht ihm meine Entschuldigung nicht, dachte Eden. Und vielleicht kommt sie auch zu spät.
Das könnte sie ihm nicht mal übel nehmen: Wenn sich jetzt nämlich ein Klassenkamerad, der sie damals geärgert hatte, im gleichen Stil bei ihr entschuldigen würde, würde sie das auch nicht weiter beeindrucken.
Doch auf einmal wirkte Cams Miene nicht mehr ganz so düster. „Brillenschlange, Zahnspangentante, Pickelgesicht – und was war das noch?“, erkundigte er sich.
„Karottenhaar und Miss Neunmalklug, aber das war lange nicht alles.“
„Und dafür musste ich büßen?“
„Ja, du warst sozusagen der Prügelknabe“, sagte sie in leicht scherzhaftem Ton. Ob er sich wohl darauf einlassen würde?
Tatsächlich: Er lächelte. Zwar nur ein bisschen und vielleicht sogar unbeabsichtigt, aber immerhin.
Cam war ja selbst mit mieser Laune ein attraktiver Mann. Unglaublich, wie sein Gesicht noch gewann, wenn sich seine Züge entspannten.
„Ich musste also als Prügelknabe herhalten, soso“, wiederholte er.
„Ja, und außerdem war ich damals bloß ein total verängstigtes, unsicheres Häuflein Elend – nicht, dass ich mich damit aus der Affäre ziehen will. Ich laufe praktisch seit vierzehn Jahren mit einem schrecklich schlechten Gewissen herum.“ Sie klimperte demonstrativ mit den Wimpern. „Nun komm schon, einer Frau mit Quietscheentchen auf der Hose kann man doch gar nicht böse sein, oder?“
Damit hatte sie Cam endgültig zum Lächeln gebracht: Er betrachtete ihre braune Schlafanzughose, die mit Comic-Enten bedruckt war.
„Das sind Stockenten“, klärte er sie auf. „Aber ich kümmere mich jetzt zuerst um deinen Stromausfall, dabei kann ich ja noch mal über alles nachdenken.“
„Danke.“
In Edens Haus war es deutlich kälter als bei Cam – spätestens jetzt wusste sie, dass es richtig gewesen war, zu ihm zu gehen. Sobald sie die Eingangstür hinter sich geschlossen hatten, übernahm er die Führung und leuchtete ihnen mit seiner Taschenlampe den Weg zur Kellertür, vorbei an den vielen Umzugskartons. Eden war froh, nicht allein in das düstere Untergeschoss gehen zu müssen.
Der Sicherungskasten befand sich unter der Treppe. Cam brauchte bloß einen Schalter umzulegen, und schon ging oben die Musik wieder an – es hatte funktioniert.
„Hier geht übrigens das Licht an.“ Cam zog an einer Strippe, und eine nackte Glühbirne über ihnen verströmte gelbes Licht.
Bis zu diesem Augenblick war Eden nicht bewusst gewesen, wie nah sie gerade beieinanderstanden – hier in dieser winzigen Nische unter den Treppenstufen. Außerdem hatte Cam sich inzwischen von dem Sicherungskasten weggedreht und sich ihr zugewandt. Sie stand so dicht vor ihm, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. Als ob sie kurz davor wäre, ihn zu küssen.
Und natürlich stand das ganz und gar nicht zur Debatte.
Trotzdem kam sie sich vor wie in Trance, während sie in seinen dunkelblauen Augen versank und sich vorstellte, wie es wohl wäre, wenn sie ihn wirklich küssen würde … Wenn er sich zu ihr herunterbeugen und ihre Lippen mit seinen berühren würde …
Ausgerechnet Cam Pratt!
Bei diesem Gedanken erschrak Eden. Schnell kam sie unter der Treppe hervor. „Ich gehe mal nach oben und schalte die ganzen Geräte ab, sonst sind die Leitungen gleich wieder überlastet.“ Dann lief sie die Stufen hoch, Cam folgte ihr.
Als er zu ihr in die Küche kam, hatte sie bereits die Stereoanlage ausgestellt und ein paar Lampen ausgeknipst.
„Das ist wirklich sehr nett von dir“, bedankte sie sich auf dem Weg zur Tür.
„Bei mir im Haus habe ich übrigens ein batteriebetriebenes Licht neben dem Sicherungskasten angebracht“, sagte er. „Falls die Taschenlampe mal nicht griffbereit sein sollte.“
„Das ist eine hervorragende Idee“, erwiderte sie überschwänglich – als Wiedergutmachung dafür, dass sie ihn vor vierzehn Jahren als Dummkopf bezeichnet hatte. Dann fuhr sie in etwas neutralerem
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