Cinderella und der Scheich
gibt zahlreiche Mütter, die sich eine Verbindung zwischen ihrem Sohn und Shula, der ältesten Tochter der Attiyahs, wünschen. Aus Gründen, die ich nicht einmal ansatzweise nachvollziehen kann, geben sie dir, mein Sohn, den Vorzug vor allen anderen. Aber heute Morgen bekam ich eine Nachricht von der Mutter des Mädchens. Sie verlangt, dass ich einem Gerücht entgegentrete, du hättest deine Geliebte in deinem Haus in Nadira untergebracht.“
Das erklärte die Ohrfeige. Er hatte seine Mutter gedemütigt.
„Ich werde Kasim al-Attiyah versichern, so wie ich auch dir versichere, Miss Metcalfe ist nicht meine Geliebte. Ich habe ihr und ihrer Familie lediglich einen Zufluchtsort zur Verfügung gestellt.“
„Den Vater des Mädchens musst du nicht überzeugen. Als Mann weiß er, dass alle Männer ihren Verstand zwischen den Beinen tragen.“
Nachdem sie sich ihren Zorn von der Seele geredet hatte, wurde ihr Gesicht weicher, und sie legte ihm die Hand auf die Wange. „Shula al-Attiyah ist eine moderne Frau, Zahir. Sie ist gebildet und weit gereist, so wie alle, die ich dir vorstellen werde. Ich möchte, dass deine zukünftige Frau dir ebenbürtig ist, mein Sohn. Sie soll deine Welt verstehen und eine Lebenspartnerin sein, wie du sie dir wünschst.“ Sie ließ ihre Hand sinken und wandte sich ab. „Aber auch die Frauen in Ramal Hamrah leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, und keine, die etwas auf sich hält, wird sich an einen Mann binden, der sich dabei fotografieren lässt, wie er in London auf der Straße mit …“
„Mutter“, warnte er.
„Mit einer Frau tanzt, die jetzt auch noch mit ihrem Kind in seinem Haus lebt. Ein Junge, und die Tratschmäuler im Suk sagen, er sei dein Sohn.“
„Was hast du gesagt?“
Zahir hörte die Worte seiner Mutter deutlich, aber sie ergaben keinen Sinn. Wieder und wieder ging er sie im Kopf durch …
Junge …
Sohn …
„Stimmt es?“, verlangte sie zu wissen, während er noch immer versuchte, sich einen Reim auf das eben Gesagte zu machen.
Er schüttelte den Kopf. Es konnte nicht wahr sein …
Und doch, wie einen Film sah er plötzlich wieder die Tüte mit den Büchern, die sie gekauft hatte. Kinderbücher hatte sie gesagt. Mehrzahl. Das Märchenbuch war für Ameerah. Aber das andere mit den Knoten, das war für einen kleinen Jungen bestimmt gewesen …
Sie hatte ihn angelogen. Nein …
Er verwarf den Gedanken.
Sie hatte nicht gelogen.
Er hatte ihr mit seiner Bemerkung den rettenden Strohhalm geboten, und sie hatte danach gegriffen, um ihn auf Distanz zu halten. Und es hätte funktioniert, wenn nicht das Foto im ‚Courier‘ gewesen wäre.
„Du scheinst deiner Sache nicht sehr sicher zu sein, mein Sohn.“
Er kam zurück in die Gegenwart, hörte die Angst in der Stimme seiner Mutter, spürte, dass sie tief verunsichert war.
„Du kannst beruhigt sein. Ich bin Miss Metcalfe in dieser Woche zum ersten Mal begegnet“, sagte er, und es schmerzte ihn, als er sah, wie ihre Versteinerung sich löste und die Anspannung von ihr wich.
Gleich darauf hatte sie ihre königliche Haltung zurückerlangt, und sie entließ ihn. „Gut. Dann komme morgen Nachmittag um fünf Uhr wieder zu mir. Ich werde dir Shula al-Attiyah vorstellen.“
10. KAPITEL
Als Zahir seine Mutter verließ, war sein erster Gedanke, sofort nach Nadira zu fahren und der Sache auf den Grund zu gehen. Aber nicht in dieser Kleidung, in der er gerade versprochen hatte, eine Verbindung einzugehen, die seiner Familie zur Ehre gereichen würde.
Nachdem er geduscht und sich umgezogen hatte und in rasendem Tempo durch die Wüste fuhr, meldete sich sein gesunder Menschenverstand.
Es würde sehr früher Morgen sein, wenn er in Nadira ankam, und er hatte Diana mit seinen unbedachten Handlungen schon genug Schwierigkeiten bereitet.
Er bremste ab, verließ die Straße, warf sich einen Kamelhaarmantel um und lief los.
Er hatte sich geschworen, Diana nicht mehr zu treffen und sich stattdessen endlich auf seine Pflichten zu besinnen. Hatte nicht sein Cousin Hanif, ein Mann, für den Pflichtbewusstsein über alles ging, betont, dass die Ehe eine Verbindung fürs Leben war? Nichts, was man leichtfertig einging.
Und er hatte recht. Er durfte nicht zurückblicken, sondern musste abschließen mit allem, was gewesen war.
Die Erinnerung an Diana, wie sie sich voller Schmerz am Landesteg vornüberbeugte, schoss ihm durch den Kopf. Kein Zweifel, er musste die Sache zu Ende bringen.
Warum hatte sie ihn angelogen?
Er
Weitere Kostenlose Bücher