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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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enttäuscht in der Küche zurück.
    Sie sah sich die Flasche auf dem Tisch näher an. ›Dephlogistisches Wasser‹, stand auf dem Etikett. Sie schnupperte an der restlichen Flüssigkeit. Das Zeug sah aus wie Wasser, es roch wie Wasser, aber auf einmal zerplatzte eine kleine Blase an der Oberfläche und stieg ihr kitzelnd in die Nase. Erschrocken fuhr sie zurück.
    Sie wollte gerade ein Schlückchen probieren, als sie aus der Halle Stimmengewirr vernahm. Die Frauen hatten sich also von ihrer Behandlung erholt und waren anscheinend im Aufbruch begriffen.
    Mr Sorrel kam zurück. »Du hast Glück, dass dich Madame Orrery nicht erwischt hat«, sagte er. »Mesmerismus ist eine äußerst subtile Kunst. Sie verträgt keinerlei Störung.«
    Sein Blick wanderte kritisch über den Fußboden, und seine Stirn runzelte sich in Missfallen. »Tu jetzt, was ich dir gesagt habe, und scheuere die Halle. Madame Orrerys Friseur wird gleich hier sein.«
    »Ja, Mr Sorrel.«
    Mit glühenden Wangen füllte sie einen Kupferkessel mit Wasser und stellte ihn zum Kochen aufs Feuer. Sobald es heiß war, goss sie das siedende Wasser in einen Eimer, streute Kräuter und Sand hinein und marschierte damit in die Halle. Bald kniete sie in einer Wolke aus heißem Wasserdampf und machte sich daran, den Boden zu bearbeiten.
    Es war anstrengende Knochenarbeit. Ihre Finger wurden wund und waren schnell von Blasen überzogen, und die Bürste hinterließ schmerzhafte Splitter in ihrer Hand. Auf Knien rutschte sie durch die Halle und schrubbte, bis sie sich in den Steinen spiegeln konnte.
    Sie war schon fast auf der oberen Treppe angekommen, als vor dem Haus eine Kutsche vorfuhr und kurz darauf eine Glocke geläutet wurde. Bevor sie ihre Siebensachen zusammenklauben konnte, war Mr Sorrel bereits an der Tür und ließ einen rundlichen Herrn mit gepuderter Perücke ein. Hinter ihm ging ein Junge mit einer Kiste voller Bürsten und gelockter Haarteile.
    Pandora hielt den Kopf gesenkt, als die kleine Prozession auf der Treppe zu Madame Orrerys Privatgemächern an ihr vorbeizog. Der Herr machte einen Bogen um sie, als müsse er einer Pfütze ausweichen, der Junge dagegen schien stehen bleiben zu wollen. Pandora riskierte einen Blick und sah, dass er die rote Borte an ihrem braunen Kleid anstarrte. In seinen Augen lag etwas, das sie erkannte – ein trauriger, nach Zuneigung hungernder Blick. Als sie ein Lächeln wagte, kratzte sich der Junge verlegen im Nacken.
    Die Flügeltüren öffneten sich und heraus trat Madame Orrery in einem silbrig schimmernden Gewand. »Ah, Mr Fopmantle«, sagte sie. »Wie schön, Sie zu sehen. Ist das nicht ein schreckliches Wetter?«
    Der Herr beugte sich vor, um ihre Hand zu küssen. »In der Tat, Madam, in der Tat. Die Luft ist heiß wie im Hades, und ich möchte wetten, sie riecht auch so wie dort.« Er unterbrach sich, um an einem parfümierten Taschentuch zu schnuppern, das er bei sich hatte, dann wandte er sich an den Jungen. »Nun also, Aaron, sei nicht schüchtern. Bring mir die Bürsten, Junge. Wir müssen Madam bildschön machen. Schöner noch, als sie ohnehin schon ist.«
    Madame Orrery verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. »Ich sehe, Sie haben wieder Ihren neuen Lehrjungen dabei«, sagte sie und streckte die Hand, um dem Jungen über die Wange zu streicheln. »Seine Geschichten aus dem Findelhaus haben mir bei Ihrem letzten Besuch so viel Vergnügen bereitet! Ich hoffe, ich bekomme gleich noch mehr davon zu hören. Kommen Sie, ich habe drinnen gezuckerte Datteln für ihn.«
    Pandora, die bei Madame Orrerys Erscheinen die Augen gesenkt hatte, sah auf, verblüfft von ihrem liebenswürdigen Ton. Der Junge war also ein Findelkind wie sie selbst. Aber warum tat Madame Orrery so freundlich?
    Sie merkte, dass der Junge sie immer noch mit großen Augen und diesem seltsamen Blick anstarrte, und sie sah ihm nach, als er seinem Meister ins Boudoir von Madame folgte. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Mr Sorrel zog sich zurück, und auf dem Weg die Treppe hinunter ermahnte er Pandora, nicht zu trödeln.
    Sobald er weg war, stand sie auf und reckte und streckte sich, um ihre steifen Glieder zu lockern. Dann, als sie auf der anderen Seite der Tür Stimmen hörte, schob sie ihren Eimer näher heran und strich nur leicht mit der Bürste über den Boden – vielleicht würde sie hören, was im Zimmer gesprochen wurde.
    Madame Orrerys Stimme war leise und gedämpft. Nur hin und wieder konnte Pandora einzelne Worte verstehen. »Ich

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