Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton

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dunkel und stickig, und um mehr Licht einzulassen, öffnete Pandora die Läden. Staubsäulen tanzten in der Luft, und die fremdartigen astrologischen Symbole an den Wänden sprangen ihr ins Auge. Wieder einmal bestaunte sie die merkwürdigen Gegenstände im Zimmer: die Glasharmonika in der Ecke, die verblichenen Sofas längs der Mauern und die geheimnisvolle Wanne, die wie eine riesige Holztrommel mitten auf dem Teppich stand.
    Gerade war sie damit fertig, das ranzig riechende Wasser zu ersetzen, als die ersten Patienten kamen. Schnell schloss sie die Fensterläden, sammelte ihre Utensilien ein und eilte aus dem Zimmer. Aus sicherem Abstand beobachtete sie, wie Mr Sorrel eine Gruppe modisch gekleideter junger Damen durch die Eingangshalle geleitete. Ihre schönen farbigen Kleider, die wie Pfauenschweife hinter ihnen über den Boden glitten, fegten Schmutz ins Haus.
    Ein Rascheln von Seide ließ Pandora herumfahren.
    Oben war Madame Orrery aus ihren Privatgemächern erschienen und stieg nun die Marmortreppe herab.
    Pandora drückte sich in einen Winkel und blinzelte vorsichtig über das Geländer, während die Frau an den Vorhängen vorbei in den Behandlungsraum rauschte. Dann, als spürte sie, dass man sie beobachtete, wandte Mme Orrery sich um und warf Pandora einen harten, frostigen Blick zu.
    Augenblicklich flüchtete Pandora in die Küche und goss das Wasser im Hof aus. Vom Flur auf der anderen Seite drangen die Geräusche von Madame Orrerys Behandlung herüber: ein Gemisch aus Schluchzen und Seufzen, ab und zu von einem Schrei durchbohrt. Darauf folgte qualvoll schrille Musik. Mr Sorrel spielte die Glasharmonika.
    Erst gestern hatte er ihr gezeigt, wie das ging. Auf einem niedrigen hölzernen Hocker sitzend – wie ein Organist vor dem Instrument – hatte er nach einem bestimmten Rhythmus mit dem Fuß auf ein Pedal getreten und auf diese Weise die regenbogenfarbenen Schälchen auf der Glasharmonika zum Drehen gebracht. Dann hatte er zu Pandoras Erstaunen die Finger in eine wässrige Lösung getaucht und sie über die sich drehenden Glasränder bewegt. Die fürchterlichsten Töne waren entstanden, eine Wimmersinfonie wie von heulenden Katzen. Es war das Unerträglichste, was sie je gehört hatte.
    »Ah, himmlische Sphärenmusik«, hatte Mr Sorrel geschwärmt – scheinbar war er immun gegen das Katzengejammer, das er produzierte. »Manche glauben, diese Musik führt bei denen, die sie hören, zum Wahnsinn, ich meine allerdings, sie hebt die Menschen in höhere Gefilde.«
    Während Pandora lauschte, überkam sie die plötzliche Neugier, mehr zu erfahren. Auf Zehenspitzen ging sie zurück zur Eingangshalle, schlich sich näher an den Behandlungsraum und linste durch den Vorhangspalt.
    Sie konnte gerade noch einen erschreckten Laut unterdrücken: Die Frauen befanden sich in den unterschiedlichsten Stadien der Erschöpfung auf allen vieren auf dem Boden, rührten sich kaum, atmeten kaum … Madame Orrery stand zwischen ihnen, ihre silberne Uhr in der Hand, und beobachtete die Szene gelassen.
    Plötzlich kam Mr Sorrel aus dem Raum und hätte sie beinahe umgerannt. »Pandora!«, rief er. »Was machst du hier? An die Arbeit, aber schnell!«
    Pandora warf noch einen erschrockenen Blick auf die feinen Damen auf dem Fußboden, dann folgte sie Mr Sorrel in die Küche. »Ist mit den Damen alles in Ordnung?«, fragte sie im Gehen.
    »Ja, ja. Das gehört alles zur Behandlung«, sagte er. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. »Wir müssen erst ein Fieber herbeiführen, wenn wir ihre Seele reinigen wollen. Madame Orrery wird sie gleich wiederbeleben.«
    Er nahm eine Steingutflasche aus der Speisekammer und kam damit zum Tisch. Er ließ den Verschluss aufschnappen und goss eine klare perlende Flüssigkeit in eine Reihe von Gläsern, die er auf ein Tablett stellte. Der Trank schäumte und sprudelte vor Pandoras Augen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Medizinisches Wasser«, sagte Mr Sorrel. »Es dient zur Stärkung. Mach dir keine Gedanken. Die Patienten werden sich bald erholen und danach keinerlei Erinnerung haben an das, was geschehen ist. Sie werden das Gefühl haben, als sei ihnen eine schwere Last von der Seele genommen. Und ihre qualvollen Gedanken und Erinnerungen sind wie ausgelöscht und vergessen.«
    Er häufte gezuckerte Datteln auf eine Platte, stellte sie zu den Gläsern aufs Tablett und eilte damit in die Halle. Pandora wollte ihm folgen, doch nach einem strengen warnenden Blick von ihm blieb sie