Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
Vom Netzwerk:
laut Mrs Kickshaw jemand von der Wäscheleine gestohlen haben sollte. Sie waren zerschnitten und wohl in irgendeine Lösung getaucht worden, die ihnen einen feinen goldenen Schimmer verliehen hatte.
    Irgendwo außerhalb Cirrus’ Blickwinkel flackerte ein Feuer und warf unruhige Schatten an die Wände. Es loderte hin und wieder hell auf und ließ den Mann aufblicken.
    »Hunger, wie?«, sagte er mit heiserer Stimme und kratzte sich an der Stirn.
    Seine bis zu den Ellbogen aufgerollten Hemdsärmel entblößten kräftige muskulöse Unterarme, sonnengebräunt und von merkwürdigen pechschwarzen Schnörkeln bedeckt. Tätowierungen. Von so etwas hatte Cirrus aus Jonas’ Geschichten schon gehört. Vom Gürtel des Mannes baumelte ein kleiner Gegenstand aus Messing. Es war keine Pistole, wie Cirrus und Bottle Top erst gedacht hatten, sondern etwas völlig anderes.
    Ein Fernglas.
    Cirrus sah, wie der Mann plötzlich seine Werkzeuge hinwarf und quer durch den Stall zu einem Leinensack neben dem Eingang stapfte. Er zog mehrere schemenhafte winzige Körper aus dem Sack, jeder einzeln an einen Bindfaden gebunden, und warf sie in Richtung des Feuers.
    Ratten! Tote Ratten! Cirrus drehte sich vor Ekel der Magen um.
    Augenblicklich flammte das Feuer laut knisternd auf, und Cirrus sah etwas wie eine Stichflamme durch sein Sichtfeld zucken. Ein heiseres Krächzen erfüllte die Luft – erschrocken fuhr er zusammen, und Schweiß brach ihm aus allen Poren.
    Der Mann sah kurz zum Fenster hin, aber Cirrus duckte sich gerade rechtzeitig.
    »Nicht mehr lange«, hörte er den Mann auf der anderen Seite sagen. »Bald, Alerion, das verspreche ich dir. Wir gehen ins Findelhaus, holen uns, weshalb wir gekommen sind, und verschwinden dann auf Nimmerwiedersehen. Mit dieser gottverlassenen Stadt sind wir fertig!«
    Cirrus setzte sich kerzengerade auf und überlegte fieberhaft. Mit wem sprach der Mann? Und was wollte er aus dem Heim holen? Er blickte über die Wiesen und dachte einen Moment daran, zurückzulaufen und den Vorsteher zu warnen, aber als er ein leise schleifendes Geräusch aus dem Stall hörte, musste er doch den Hals recken, um nach der Ursache zu sehen.
    Der Mann zog das große Stoffnetz über den Boden ins Freie und zur Lichtung hin. Cirrus huschte weiter an der Stallwand entlang, er wollte wissen, was der Mann vorhatte.
    Mitten auf der Lichtung war über dem Brunnen, aus dem die Menschen früher wahrscheinlich ihr Wasser geholt hatten, ein hölzernes Gerüst errichtet. Mithilfe eines Flaschenzugs hievte der Mann den Stoff nun hoch über die Balken, bis er sich aufblähte wie das Segel auf einem Schiff. Nachdem er damit fertig war, ging er zum Stall zurück und zog den Weidenkorb ins Freie zum Brunnen. Er neigte den Korb in einem bestimmten Winkel, sodass die hochstehende T-förmige Stange direkt über der Brunnenöffnung und unter der Stoffmasse platziert war. Dann machte er sich daran, die unteren Ränder des Segels und die Korbränder mit einer Reihe langer Schnüre zu verbinden und sorgfältig zu verknoten. Zuletzt wischte er sich den Schweiß von der Stirn, wandte sich zum Stall um und sagte: »Kommst du dann? Oder meinst du, ich bringe dieses Gefährt ohne dich vom Boden hoch?«
    Cirrus erschrak. War er etwa entdeckt worden? Aber dann merkte er, dass der Mann mit dem im Stall verborgenen Wesen sprach – wer oder was immer es auch sein mochte.
    Ein Feuerball kam durch die Luft geschossen, kreiste um die Lichtung und ließ sich dann auf der eisernen Querstange über dem Korb nieder. Entgeistert schnappte Cirrus nach Luft und fuhr zurück. Es war tatsächlich so, wie er gesagt hatte, damals, an dem Tag, als Bottle Top von den Krähen verfolgt worden war. Ein Vogel aus Feuer! Aber das konnte doch gar nicht sein?
    Er rieb sich die Augen, dann blickte er noch angestrengter auf das lodernde Feuerwesen auf der Wiese. Der Vogel war purpurrot und goldfarben, und überall an seinem Körper flackerten rot züngelnde Federn. Er brannte so grell leuchtend, dass es wehtat, ihn anzusehen, und gleichzeitig war er so strahlend in seiner Schönheit, dass man kaum wegsehen konnte. Selbst die Krähen, die sich über der Lichtung versammelt hatten, schauten stumm dem Schauspiel zu.
    Der Mann hatte dicke Lederhandschuhe übergezogen und strich mit den Fingern über die kupferfarben schimmernde Brust des Vogels. »Ja, so bist du, mein braves Mädchen«, sagte er. »Wollen wir mal probieren, wie du deine Flügel strecken kannst, was meinst du? Bei

Weitere Kostenlose Bücher