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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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muss Sie loben«, meinte sie zu hören. »Der Junge, den ich suche, ist tatsächlich dort.«
    Pandora schlug das Herz bis zum Hals. Sprach Madame Orrery immer noch von Cirrus Flux?
    Sie drückte das Auge ans Schlüsselloch, gespannt, was weiter passieren würde, konnte jedoch außer Madame Orrerys weiten Röcken kaum etwas erkennen. Dann sah sie den Jungen, Aaron, wie er nach einer gezuckerten Dattel griff. Madame Orrery ging auf ihn zu. Etwas Silbernes glitzerte in ihrer Hand.
    »Nun sag mir«, fing sie an, » hast du je einen …«
    Plötzlich unterbrach sie sich, drehte sich um und kam zur Tür. Ehe Pandora sich aufrappeln konnte, stand die Frau schon über ihr.
    »Das ist nun sauber genug«, sagte Madame Orrery eisig, als Pandora hektisch ihre Scheuerbürste kreisen ließ, um sich den Anschein von Fleiß und Eifer zu geben. »Du kannst zu Mr Sorrel in die Küche gehen. Ich brauche dich heute nicht mehr.«
    »Ja, Madame Orrery«, sagte Pandora knicksend. Sie ergriff Eimer und Bürste und eilte die Treppe hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen. In ihrem Rücken spürte sie Madame Orrerys Blicke. Pandoras Wangen brannten, ihre Gedanken rasten. Sie war überzeugt, dass Madame Orrery etwas plante, etwas, das mit dem Vorsteher und dem Jungen im Heim zu tun hatte, nur konnte sie sich nicht vorstellen, was.
    Sie lief in Richtung Küche, und als sie das Wasser im Hof ausgoss, sah sie, wie Mr Sorrel sich mit dem Kutscher unterhielt und anscheinend Vorkehrungen für Madame Orrerys Fahrt später am Abend traf.
    Sie ging zu ihm.
    »Ich muss es einfach wissen«, rief sie, und die Worte sprudelten nur so über ihre Lippen. »Was hat Madame Orrery vor? Warum fährt sie wirklich zum Heim?«
    Mr Sorrel wandte den Blick ab und stocherte mit dem Fuß in der Erde. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte er kopfschüttelnd.
    »Sucht sie nach Cirrus Flux?«
    Der Mann zuckte leicht zusammen, sah ihr jedoch nicht in die Augen. »Bitte, Pandora«, sagte er kläglich. »Keine Fragen mehr. Es gibt Dinge, von denen man besser nichts weiß.« Seine Stimme klang müde und deprimiert.
    Sie sah ihn noch einen Moment an und hoffte verzweifelt auf eine Antwort, doch seine verschlossene Miene verriet, dass er sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen würde.
    Seufzend wandte sie sich ab. Als sie aber dann im Hof die Kutsche mit der silbernen Emaille-Uhr an der Tür bemerkte, stand ihr Entschluss fest. Wenn Mr Sorrel ihr nicht helfen wollte, würde sie die Sache eben selber in die Hand nehmen.
    Sie würde Madame Orrery heute Abend zum Findelhaus folgen und das Geheimnis alleine herausfinden.
     

 

     

Black Mary`s Hole
    Cirrus konnte es nicht länger ertragen. Unauffällig löste er sich aus der Warteschlange, während die anderen Jungen sich für das kalte Bad anstellten.
    Schon seit mehreren Wochen, seit Bottle Top nicht mehr da war, hatte er versucht, aus den oberen Fenstern des Heims den Galgenbaum im Auge zu behalten, doch den Mann von Black Mary’s Hole hatte er nicht mehr zu Gesicht bekommen. Schlimmer noch, keiner der anderen Jungen glaubte ihm, wenn er ihnen erzählte, was er und Bottle Top dort gesehen hatten. Selbst Jonas nannte ihn einen Lügner. Aber da Jonas inzwischen Lehrling bei einem Schreibwarenhändler in der Stadt war, der einen Jungen mit robusten Beinen und kräftigen Lungen brauchte, um auf der Straße die Zeitungsneuigkeiten auszurufen, musste Cirrus seine ewigen Sticheleien und spöttischen Bemerkungen nicht länger ertragen. Egal, was die anderen dachten, er war überzeugt, dass jemand bis vor Kurzem das Heim beobachtet hatte, und sein Entschluss stand fest: Er würde herausfinden, wer es war – und warum er das tat.
    Als gerade niemand hersah, rannte er aus der Krankenstation, sprang über den Rasen und steuerte geradewegs auf den Apfelbaum zu, auf den er und Bottle Top früher so oft geklettert waren. Die Blätter wurden allmählich braun und welk, manche waren sogar schon zu Boden gefallen. Ein trockener staubiger Dunst hing in der Luft.
    Bevor jemand sein Fehlen bemerken konnte, zog er sich an den Ästen hoch und schob sich bis zur Mauer vor, dann ließ er sich an dem Seil, das immer noch da hing, auf die andere Seite hinunter.
    Er überquerte die angrenzende Wiese. Hier und da ragten große Schatten aus dem Nebel, aber er rannte weiter, bis er den Galgenbaum erreicht hatte, der wie ein schwarzer Blitz am Rand der alten Straße stand.
    Von dem Nest, das er und Bottle Top vor ein paar Wochen

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