City of Lost Souls
stärker – vor allem deswegen, weil er die Spuren mit einer Heilrune hätte beseitigen können, es aber nicht getan hatte. »Ich erinnere mich an jede einzelne Sekunde von letzter Nacht«, murmelte er. »Und es treibt mich in den Wahnsinn, weil ich es gewesen bin, aber irgendwie dann doch wieder nicht. Wenn wir zusammen sind, möchte ich, dass du wirklich du bist. Und ich wirklich ich.«
»Aber sind wir das nicht im Moment?«
»Ja, schon.« Jace hob den Kopf und küsste sie auf den Mund. »Aber für wie lange? Ich könnte mich jeden Moment in ihn zurückverwandeln. Das könnte ich dir nicht antun … uns nicht antun.« Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. »Ich weiß nicht einmal, wie du das überhaupt erträgst … in der Gegenwart dieses … Wesens zu sein, das nicht ich bin … «
»Selbst wenn du dich in fünf Minuten zurückverwandeln würdest, wäre es das trotzdem wert gewesen … Dass ich hier mit dir zusammen sein kann. Dass ich dich auf jener Dachterrasse nicht endgültig verloren habe. Denn das hier bist du … Und selbst in dieser anderen Version von dir steckt irgendwie dein wahres Ich. Es ist fast so, als würde ich dich durch eine verschwommene Fensterscheibe sehen, aber die Person auf der anderen Seite des Glases bist nicht du. Und endlich weiß ich das auch mit Sicherheit.«
»Wie meinst du das?« Jace’ Hände umfassten Clarys Schultern fester. »Was meinst du mit: Endlich weißt du das mit Sicherheit?«
Clary holte tief Luft. »Jace, als wir nach all dem Hin und Her schließlich zusammen waren … in diesem ersten Monat bist du richtig glücklich gewesen. Und alles, was wir gemeinsam unternommen haben, hat Spaß gemacht, war lustig und einfach schön. Aber dann kam es mir so vor, als ob du das alles langsam aufgeben würdest, die ganzen glücklichen Momente. Du wolltest nicht mehr bei mir sein, mich nicht einmal mehr ansehen … «
»Ich hatte Angst, ich könnte dir was antun. Ich hab gedacht, ich würde den Verstand verlieren.«
»Du hast nicht mehr gelächelt oder gelacht oder gescherzt. Und ich mache dir auch überhaupt keine Vorwürfe deswegen. Schließlich hatte Lilith sich in deine Gedanken hineingeschlichen und dich kontrolliert. Dich verändert. Und auch wenn ich weiß, dass das jetzt ziemlich blöd klingt, aber eines darfst du nicht vergessen: Ich hatte vorher noch nie einen festen Freund. Also hab ich angenommen, dein Verhalten wäre vielleicht ganz normal … dass du einfach das Interesse an mir verlieren würdest.«
»Clary, ich konnte doch nicht … «
»Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen – ich erzähle dir das einfach nur. In den Phasen, in denen du … unter fremdem Einfluss stehst, scheinst du glücklich zu sein. Ich war eigentlich hergekommen, weil ich dich retten wollte.« Clary senkte die Stimme. »Aber ich hab mich allmählich gefragt, wovor ich dich retten wollte. Und warum ich dich in ein Leben zurückholen sollte, in dem du anscheinend furchtbar unglücklich warst.«
»Unglücklich?« Jace schüttelte den Kopf. »Ich hatte Glück, unglaubliches Glück; aber das habe ich damals nicht kapiert.« Ihre Blicke trafen sich. »Ich liebe dich«, erklärte Jace. »Du machst mich glücklicher, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Und jetzt, da ich weiß, wie es sich anfühlt, jemand anderes zu sein – sich selbst zu verlieren – , jetzt will ich mein Leben zurückhaben. Meine Familie. Dich. Einfach alles.« Seine Augen schimmerten dunkel. »Ich will das alles zurückhaben.« Im nächsten Moment presste er seinen Mund auf Clarys Lippen, öffnete sie, heiß und begierig. Seine Hände packten ihre Taille und krallten sich dann in das Bettlaken links und rechts von Clarys Hüften. Keuchend fuhr er zurück. »Wir dürfen nicht … «
»Dann hör auf, mich zu küssen!«, japste Clary. »Warte mal … « Sie tauchte unter Jace hindurch und schnappte sich ihr Top. »Ich bin gleich wieder da.« Rasch schob sie sich an ihm vorbei und huschte ins Bad. Nachdem sie die Tür geschlossen und das Licht eingeschaltet hatte, starrte sie sich einen Moment im Spiegel an: Ihre Augen wirkten riesig, ihre Haare waren zerwühlt und ihre Lippen geschwollen vom Küssen. Clary errötete, streifte ihr Oberteil über, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und steckte die Haare schnell zu einem Knoten hoch. Als sie sich davon überzeugt hatte, dass sie nicht länger wie die geschändete Jungfrau auf dem Einband eines Groschenromans aussah, nahm sie sich ein Handtuch –
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