City of Lost Souls
will dich nämlich sprechen.«
Unsichtbare Eiskristalle knackten in Clarys Gelenken und Sehnen, als sie aufstand. »Prima. Von mir aus. Ich werde ihnen alles erzählen, was sie wissen wollen, wenn sie dafür Jace finden.«
»Du wirst ihnen alles erzählen, was sie wissen wollen, weil sie das Engelsschwert haben.« Verzweiflung schwang in Jocelyns Stimme mit. »Ach, Süße, es tut mir so leid.«
Nach zwei Wochen ständiger Befragungen, nach etlichen Zeugenaussagen und nachdem sie das Engelsschwert etwa ein Dutzend Mal in den Händen gehalten und Bericht erstattet hatte, saß sie jetzt hier in Isabelles Zimmer und wartete darauf, dass der Rat über ihr weiteres Schicksal entschied. Bei der Erinnerung an das Engelsschwert fuhr Clary ein Schauer über den Rücken: Es hatte sich angefühlt, als würden sich winzige Angelhaken in ihre Haut bohren und ihr die Wahrheit förmlich aus dem Körper ziehen. Sie hatte auf dem Boden gekniet, inmitten der Sprechenden Sterne, das Schwert in den Händen, und ihre eigene Stimme gehört, die den Ratsmitgliedern alles erzählte: wie Valentin den Erzengel Raziel herbeigerufen und wie sie ihrem Vater die Macht über den Engel aus der Hand genommen hatte, indem sie seinen Namen mit ihrem eigenen überschrieb. Wie der Engel ihr eine Gunst gewährt und sie diese genutzt hatte, um Jace von den Toten zurückzuholen. Außerdem hatte sie dem Rat berichtet, wie Lilith von Jace Besitz ergriffen und versucht hatte, mit Simons Blut Sebastian wiederzubeleben – Clarys Bruder, den Lilith als ihren Sohn betrachtet hatte. Und wie Simons Kainsmal Lilith vernichtet hatte, weshalb sie Sebastian ebenfalls als besiegt und nicht länger als eine Gefahr betrachtet hatten.
Clary seufzte und klappte ihr Handy auf, um nach der Uhrzeit zu sehen. »Die Ratsmitglieder sitzen jetzt schon seit einer Stunde zusammen und beraten sich«, sagte sie. »Ist das normal? Oder ist das ein schlechtes Zeichen?«
Isabelle setzte Church auf den Boden, der sich miauend beschwerte. Dann kam sie zum Bett und hockte sich neben Clary. Die junge Schattenjägerin erschien zwar noch schlanker als sonst – genau wie Clary hatte sie während der vergangenen zwei Wochen Gewicht verloren – , wirkte aber in ihrer schwarzen Röhrenhose und dem taillierten grauen Samttop elegant wie eh und je. Die Wimperntusche war leicht verschmiert. Eigentlich hätte sie dadurch aussehen müssen wie ein Waschbär, doch stattdessen wirkte sie nur noch mehr wie ein französischer Filmstar. Als Izzy mit den Händen gestikulierte, klimperten ihre Elektrumarmbänder mit den Runenanhängern melodisch. »Nein, das ist kein schlechtes Zeichen«, erklärte sie. »Es bedeutet lediglich, dass die Ratsmitglieder viel zu besprechen haben.« Nachdenklich drehte sie den Lightwood-Ring an ihrem Finger. »Mach dir keine Sorgen. Schließlich hast du nicht gegen das Gesetz verstoßen und das ist die Hauptsache.«
Clary seufzte. Nicht einmal die Wärme von Isabelles Schulter an ihrem Oberarm konnte das Eis in ihren Adern zum Schmelzen bringen. Ihr war klar, dass sie streng genommen kein einziges Gesetz gebrochen hatte, aber sie wusste auch, dass der Rat furchtbar wütend auf sie war. Schattenjäger durften niemanden von den Toten erwecken, aber das galt nicht für den Erzengel; trotzdem war ihre Bitte an den Engel, Jace ins Leben zurückzuholen, von derart großer Tragweite gewesen, dass sie und Jace beschlossen hatten, niemandem davon zu erzählen.
Aber jetzt war die ganze Sache doch noch ans Licht gekommen und hatte die Nephilimgemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Clary wusste, dass die Ratsmitglieder sie bestrafen wollten – und sei es nur deshalb, weil ihre Bitte solch katastrophale Konsequenzen nach sich gezogen hatte. Tief in ihrem Inneren wünschte sie sich fast, man würde sie bestrafen … ihr die Knochen brechen, die Fingernägel herausreißen, ihren Verstand mit den messerscharfen Gedanken der Stillen Brüder durchforsten. Eine Art Teufelspakt: ihr eigener Schmerz im Tausch gegen Jace’ unversehrte Rückkehr. Das würde ihr auch gegen ihre Gewissensbisse helfen, weil sie Jace allein auf der Dachterrasse zurückgelassen hatte – selbst wenn Isabelle und die anderen ihr schon hundert Mal versichert hatten, das sei lächerlich. Schließlich hatten sie alle angenommen, dass es dort oben ungefährlich für ihn war. Und außerdem: Wenn Clary bei ihm geblieben wäre, würde sie jetzt wahrscheinlich ebenfalls zu den Vermissten zählen.
»Hör auf
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