City - V3
kräftiges Gesicht mit einer von Runzeln durchzogenen, lederähnlichen Haut und
blinzelnden, blaugrauen Augen. Sein Haar fing gerade an, grau zu werden.
»Jenkins traut mir nicht«, begann Joe. Webster fühlte, wie sich ihm die Haare sträubten, als er
das sonderbare Lachen aus Joes Worten heraushörte.
»Ich auch nicht«, entgegnete Webster kurz angebunden.
Joes Stimme klang wie Butter. »Und während dieser ganzen Zeit haben wir uns überlegt, wie wir
euch vielleicht einmal helfen könnten.«
»Warum habt ihr es denn nicht getan?« wollte Webster wissen. »Zuerst wollten wir mit euch
Zusammenarbeiten. Selbst dann noch, als ihr uns Juwains Philosophie gestohlen hattet.«
»Gestohlen?« wunderte sich Joe. »Da irren Sie sich, Tyler. Wir haben sie an uns genommen, um sie
durchzuarbeiten. Sie wissen doch, daß seine Theorie ganz verfahren war.«
»Wahrscheinlich sind Sie bereits am nächsten Tag hinter den Fehler gekommen. Worauf haben Sie
denn gewartet? Wenn Sie damit zu uns gekommen wären, hätten wir die Gewißheit gehabt, daß Sie es
ehrlich meinen, und hätten mit euch zusammengearbeitet. Wir hätten euch nicht weiterhin durch die
Hunde beobachten lassen, und hätten euch als gleichberechtigt anerkannt.«
»Eigentlich war uns an Ihrer Anerkennung gar nichts gelegen«, erklärte Joe.
»Mir soll es recht sein«, entgegnete Webster. »Wenn es Ihnen so lieber ist. Ich hatte gehofft,
daß Sie uns ein Angebot machen oder irgendein Übereinkommen vorschlagen würden. Der gegenwärtige
Stand der Dinge gefällt uns nicht - wir würden gern eine Änderung herbeiführen. Aber es liegt an
Ihnen, Sie sind am Zuge.«
»Aber«, protestierte Joe, »es besteht doch kein Grund zur Aufregung. Ich dachte, daß Sie
vielleicht etwas über Juwains Philosophie erfahren wollten. Wir haben sie schon fast vergessen,
aber es gab mal eine Zeit, da brachte sie das ganze Sonnensystem außer Rand und Band.«
»Gut«, sagte Webster, »erzählen Sie mir davon.« Aber an dem Ton seiner Stimme konnte man merken,
daß er nicht damit rechnete.
»Im Grunde genommen«, begann Joe, »seid ihr Menschen ein recht einsamer Haufen. Sie kennen ihre
Mitmenschen nicht, und zwar deshalb nicht, weil Ihnen das gemeinsame Verständnis fehlt, das Sie
einander näherbringen könnte. Gewiß, ihr unterhaltet Freundschaften, aber die sind rein
gefühlsmäßig, ohne echtes Verstehen. Ihr vertragt euch untereinander, aber nicht, weil ihr euch
versteht, sondern weil ihr euch gegenseitig duldet! Ihr schließt Abkommen und Verträge zur Lösung
eurer Probleme ab. Diese Abkommen werden aber nicht durch gegenseitiges Verstehen zustande
gebracht, sondern durch die Unterdrückung des schwächeren Willens durch den stärkeren.«
»Und was hat das damit zu tun?«
»Es ist der Kern der Sache«, entgegnete Joe. »Juwains Philosophie ermöglicht gegenseitiges
Verstehen,«
»Telepathie?« fragte Webster.
»Nicht ganz«, erklärte Joe. »Wir Mutanten kennen die Telepathie. Aber hier handelt es sich um
etwas anderes, Juwains Philosophie ermöglicht es, den Gesichtspunkt des anderen zu erfassen. Man
braucht deshalb nicht damit einverstanden zu sein, aber man kann ihn wenigstens verstehen. Man
kann nicht nur Gedanken lesen, sondern erkennt auch die Absicht, die dahinter steckt. Mit Juwains
Philosophie kann man sogar die Idee des anderen erkennen, nicht nur die Worte, die er uns sagen
will, sondern auch die dahinterliegenden Gedanken.«
»Semantik«, stellte Webster fest.
»Wenn Sie diesen Ausdruck gebrauchen wollen. Es bedeutet jedenfalls, daß nun nicht nur die wahre
Bedeutung der gesprochenen Worte, sondern auch jede Andeutung, die darin liegen mag, erkennt.
Fast wie Telepathie, nur in vieler Hinsicht besser.«
»Und wie gewinnt man diese Fähigkeiten? Wie geht man -«
Joe hatte wieder sein altes Lachen. »Denken Sie zuerst eine Weile darüber nach, Tyler - und
überlegen Sie sich, was es Ihnen wert ist. Dann sprechen wir uns wieder.«
»Der reinste Kuhhandel«, brummte Webster.
Joe nickte.
»Und eine Narrenfalle?« ergänzte Webster.
»Mehrere sogar«, bemerkte Joe. »Versuchen Sie, dahinterzukommen. Dann können wir uns auch darüber
unterhalten.«
»Was wollt ihr dafür?«
»Eine ganze Menge«, sagte Joe. »Aber vielleicht ist Ihnen der Preis nicht zu hoch.«
Das Bild auf dem Schirm verschwand. Webster saß starr und gedankenverloren da. Eine Narrenfalle,
natürlich, das war es.
Webster schloß mühsam die Augen. Er fühlte, wie das Blut in seinem
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