City - V3
Warten Sie noch einige Tage. Nur zwei Tage. Dann wollen wir wieder darüber
sprechen.«
»Ich habe bereits lange genug gewartet.«
»Aber ich muß mir die Sache noch überlegen. Vor einer Million Jahren kam der Mensch auf die Welt.
Seither hat er sich langsam weiterentwickelt. Mühsam hat er schrittweise einen Lebensstil und
eine Philosophie entwickelt, wonach er handelt. Seine Leistungen waren stetig ansteigend. Er
leistet heute viel mehr als gestern, und morgen wird er vielmehr vollbringen als heute. Gerade
jetzt hat der Mensch bessere Aussichten als jemals zuvor. Er kann weitgesteckte Ziele in viel
kürzerer Zeit erreichen als vorher.
Vielleicht ist es hier nicht so angenehm wie auf dem Jupiter. Vielleicht ist das Leben der
Menschen eintönig im Vergleich zu der Lebensform auf dem Jupiter. Aber es ist die Lebensform des Menschen, für die er gekämpft hat. Er ist dafür bestimmt, und sie ist sein Schicksal, das
er sich selbst geformt hat. Ich schrecke vor dem Gedanken zurück, daß wir ein uns unbekanntes
Schicksal gegen unser eigenes eintauschen sollen. Gerade jetzt, wo unsere Aussichten so günstig
sind.«
»Ich werde warten«, versicherte Fowler. »Aber nur ein oder zwei Tage. Sie können meine Meinung
nicht ändern.«
»Das genügt mir«, antwortete Webster. Er erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Wollen
wir uns die Hand reichen?« fragte er.
Noch während er Fowlers Hand schüttelte, wußte Webster, daß es zwecklos war. Ob mit oder ohne
Juwains Philosophie, die Menschheit stand vor einer lebenswichtigen Entscheidung, einer
Entscheidung, die durch diese Philosophie nur noch erschwert wurde, denn die Mutanten würden
nichts außer acht lassen. Wenn sie mit diesem Trick die Menschheit loswerden konnten, dann würden
sie nichts übersehen.
Die einzige Möglichkeit, sich gegen Fowler durchzusetzen, war seine Unfähigkeit, das Gesehene und
Erlebte in Worte zu kleiden. Es fehlte ihm an Worten, um seine Botschaft verständlich zu machen.
Die menschlichen Worte waren nur annähernd imstande, seine auf dem Jupiter gesammelten Eindrücke
zu beschreiben, und der nebelhafte Begriff den seine Zuhörer gewinnen würden, wäre leicht zu
erschüttern gewesen.
Wie aber jetzt die Dinge lagen, würde sein Bericht nicht mehr unklar und nebelhaft wirken. Die
Menschen würden sich die gleiche Vorstellung von dem Leben auf Jupiter machen können, wie Fowler
selbst.
Und die Menschen würden auf den Jupiter drängen, um dort ein neues, völlig andersgeartetes Leben
zu beginnen.
Und das Sonnensystem, das gesamte Sonnensystem, mit Ausnahme des Jupiters, würde der neuen Rasse
der Mutanten offenstehen, um eine neue Kultur zu entwickeln, die aber kaum der menschlichen
Kultur entsprechen würde.
Webster ging wieder an seinen Schreibtisch.
Er versenkte seine Hand in eines der Schubfächer. Als er sie wieder zum Vorschein brachte, hielt
sie etwas umklammert, das er nie zu benutzen gedachte - ein Museumsstück, ein Überbleibsel aus
früheren Zeiten, das er damals da hineingeworfen hatte.
Mit einem Taschentuch polierte er das Metall der Pistole und prüfte den Mechanismus mit
zitternden Fingern.
Fowler war der Schlüssel zu der ganzen Sache. Wäre Fowler tot -
Wenn Fowler tot und die Stationen auf dem Jupiter abmontiert und verlassen wären, könnte man mit
den Mutanten fertig werden. Der Mensch wäre im Besitz von Juwains Philosophie und könnte sein
eigenes Schicksal formen. Die Centauri-Expedition würde sich auf den Weg zu den Sternen machen,
und die Experimente auf Pluto könnten fortgesetzt werden. Die Menschheit könnte ihre eigene
Kultur planmäßig weiterentwickeln.
Schneller als je zuvor. Schneller, als man es sich erträumen konnte.
Zwei gewaltige Schritte vorwärts waren es. Der Verzicht auf jede Gewaltanwendung - und die
Erkenntnis der Philosophie Juwains. Das waren die zwei Dinge, die den Fortschritt der
menschlichen Rasse entscheidend beschleunigen würden.
Der Verzicht auf die Gewaltanwendung und die - Webster starrte auf die Waffe, die seine Hand
umklammert hielt und horchte auf das Brausen in seinem Kopf.
Zwei gewaltige Schritte - und er war im Begriffe, den einen zu verhindern.
Seit hundertfünfundzwanzig Jahren hatte kein Mensch einen anderen getötet Und seit tausend Jahren
waren gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Menschen vergessen.
Tausend Jahre Frieden konnten jetzt durch einen einzigen gewaltsamen Tod gestört werden. Ein
Schuß in der Nacht, und das ganze
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