Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
nicht!«
Clarissa wusste, was ihr blühte, wenn man sie erwischte, und reagierte augenblicklich. Sie ließ sich von Ashana den Korb mit dem Baby auf den Rücken schnallen und rannte nach draußen, stieg auf die Kufen des Schlittens, den Angus bereits aufgerichtet hatte, und fuhr zum Fish Creek hinab. Über den vereisten Bach trieb sie die Hunde nach Westen. »Keine Angst«, tröstete sie ihre Tochter, als sie zu wimmern begann, »dir passiert nichts. Die bösen Männer finden uns nicht. Wir fahren nach Hause zu Daddy.« Sie wich einigen aufgeworfenen Eisschollen aus und schlingerte über den Fluss. »Vorwärts, Emmett! Zurück zum Yukon! Vielleicht treffen wir Alex und den Marshal!«
Ungefähr drei Meilen vom Indianerdorf entfernt verließ sie den Fluss und lenkte den Schlitten nach Süden. Vor ihr lag eine verschneite und vereiste Hügellandschaft, die geheimnisvoll im Licht des Mondes und der Sterne glänzte. Eisiger Wind blies ihr entgegen. Ihr Baby hing gut geschützt in dem Korb, zusätzlich mit Moos ausgepolstert, das Ashana zwischen seinen Körper und die Birkenrinde gestopft hatte. Dass es immer wieder zu weinen begann, lag an den zahlreichen Bodenwellen, die den Schlitten holpern und über die vereisten Hügelkämme schlittern ließen. Selbst mit ihrer großen Erfahrung gelang es Clarissa nur manchmal, das heftige Schlingern auszugleichen.
Trotz der anstrengenden Fahrt, die noch vor ihr lag, spürte sie, wie sich eine schwere Last von ihrer Seele löste. Leider währte ihre Freude über die gelungene Flucht nur kurze Zeit. Als sie eine halbe Stunde später über einen langgestreckten Hügel zum Haupttrail zurückfuhr, sah sie sich plötzlich Thomas Whittler und seinen Männern gegenüber. Die Begegnung kam so plötzlich, dass ihr keine Zeit mehr blieb, den Verfolgern auszuweichen und zu versuchen, ihnen auf diese Weise zu entkommen. Noch bevor es ihr gelang, ihr Gespann zum Stehen zu bringen, hatten auch John Smith und Raven gebremst und richteten ihre Gewehre auf sie. Thomas Whittler grinste schadenfroh.
»Sieh an«, rief er spöttisch, »da bist du ja, du Miststück! Und deinen hässlichen Balg hast du auch dabei!« Seine Sprache erinnerte eher an einen Gangsterboss als an einen erfolgreichen Geschäftsmann. »Du glaubst doch nicht, dass ich mich durch einen so billigen Trick ins Bockshorn jagen lasse.«
Sie wusste, dass sie kaum noch etwas zu verlieren hatte. »Thomas Whittler! Wie tief muss ein Mann sinken, um sich mit zwei Verbrechern wie Smith und Raven zusammenzutun und eine Frau und ihr Baby quer durch Alaska zu verfolgen? Sind Sie schon ein genauso mieser Verbrecher wie Ihr Sohn?«
»Dir wird dein Lachen schon noch vergehen, du miese Hure!«
»Was glauben Sie denn, was passiert, wenn Sie mich umbringen? Der Marshal weiß längst Bescheid und ist Ihnen wahrscheinlich schon auf den Fersen! Und glauben Sie ja nicht, dass Sie sich wieder freikaufen können. Inzwischen wissen sie auch in Alaska, was für ein gemeiner Betrüger Sie sind, und dass Sie bei der Alaska Central genauso betrogen haben wie damals bei der Canadian Pacific. Sie werden am Galgen landen, Mister Whittler!«
»Mag sein, meine Liebe«, erwiderte er, »aber vorher wirst du bezahlen!« Er wandte sich an den Indianer. »Nimm ihr das Baby weg! Bring es irgendwohin, wo man es nicht findet. Wirf den Balg meinetwegen den Wölfen vor.«
Clarissa war vor Entsetzen unfähig, sich zu bewegen. Erst als Raven an dem Korb mit dem Baby zerrte, begann sie sich zu wehren. Wie eine Besessene zog sie an dem Korb, von Panik und Verzweiflung getrieben, bis der Riemen riss und sie rückwärts in den Schnee flog. Sie kam schreiend wieder hoch, schlug mit beiden Fäusten auf den Indianer ein, versuchte ihm den Korb zu entreißen und schluchzte und schrie zugleich, bis sie ein heftiger Ellbogenschlag endgültig außer Gefecht setzte und mit blutiger Nase zu Boden warf.
Leise wimmernd und benommen vor Schmerz musste sie zusehen, wie Raven den Korb mit ihrem Baby auf seinen Schlitten warf und zu einem Wäldchen im Osten fuhr. Der Gedanke, dass ihr Kind nur noch wenige Minuten zu leben hatte, ließ ihre Gedanken taumeln und stürzte sie in einen dunklen Abgrund, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Sie fiel schluchzend in die Tiefe, rang mühsam nach Atem und hörte kaum hin, als Thomas Whittler befahl: »Leg sie um, Smith! Ich will ihr Gesicht sehen, wenn sie stirbt.«
»Ich soll sie einfach abknallen, Boss? Aber …«
»Leg sie um, hab ich
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