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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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es höllisch weh. Muss eine Verrenkung sein oder so was …«
    Clarissa hielt die Engländerin fest umklammert, sie ahnte bereits, dass Dolly auch das andere Bein kaum belasten konnte. »Das kommt vom Liegen«, hoffte sie. »Versuch ein paar Schritte zu humpeln, dann geht es bestimmt wieder.«
    »Meinst du … wirklich?«
    »Keine Angst, ich stütze dich.« Clarissa löste sich vorsichtig von dem Baum, an dem sie gelehnt hatte, half ihrer Freundin, den linken Arm um ihre Schultern zu legen und umfasste mit dem anderen Arm ihre Hüfte. »Ganz vorsichtig!«, warnte sie. »Zuerst das linke Bein und dann langsam das andere …«
    Sie kamen nicht mal zwei Schritte weit. Schon als Dolly ihr linkes Bein belastete, schoss ein stechender Schmerz durch ihren Körper, und als sie das rechte mit dem verrenkten Knie nachzog, schrie sie laut auf, und nebeneinander sanken sie in den Schnee. Über ihnen fuhr ein Windstoß in die Baumkronen, und ein Schauer eisig kalten Schnees rieselte und regnete auf sie herab.
    Dolly weinte vor Schmerz und vor Wut. »So geht es nicht. Ist vielleicht doch besser, wenn du mich hierlässt. Ich werde schon nicht erfrieren. In zwei oder drei Stunden geht die Sonne auf, und so lange brauchst du sicher nicht.«
    »Unsinn!«, erwiderte Clarissa. »So weit ist es nicht bis zur Wagenstraße, und zwischen Dyea und Skauay sind ständig Leute unterwegs. Wir passen einen Händler mit Wagen ab und lassen uns mitnehmen. Zur Not zahle ich.«
    »Und wie willst du den Hang hochkommen?«
    Clarissa blickte durch die Bäume am Waldrand auf den vereisten Hang, der noch steiler anstieg, als sie es in Erinnerung hatte, und im Schneetreiben den unbezwingbaren Gletscherhängen ähnelte, die sie aus der alten Heimat in Kanada kannte. Selbst mit einem Hundeschlitten und ohne die verletzte Engländerin hätte sie sich auf dem Hang schwergetan. Und zu beiden Seiten des Hanges, war das Gelände so felsig und zerklüftet und fiel so steil ab, dass sie wahrscheinlich Tage brauchen würden, um die Wagenstraße zu erreichen.
    Dolly hatte recht, es wäre wohl am vernünftigsten, sie unter den Bäumen zurückzulassen und Hilfe aus Skaguay oder Dyea zu holen. Aber Clarissa war einmal ein zu großes Risiko eingegangen, als sie die Engländerin allein gelassen hatte, und schreckte nun davor zurück. Immerhin war Dolly nur mit knapper Not einem grausamen Tod entgangen. Clarissa hätte sich ihr Leben lang die Schuld gegeben, wenn Dolly in den Fluss gestürzt wäre.
    Sie klopfte sich den Schnee vom Mantel und dachte angestrengt nach. Um einen notdürftigen Schlitten zu bauen, wie es Alex selbst mit einem Messer fertiggebracht hätte, fehlten ihr die Werkzeuge. Sie trug nicht einmal die Notrationen bei sich, die sie sonst auf ihren Ausflügen in die Wildnis dabeihatte. Weder Streichhölzer für ein Feuer, an dem sie sich wärmen konnten, bis es Dolly etwas besser ging, noch etwas Trockenfleisch oder ein paar Kekse, die über den gröbsten Hunger hinweghalfen, waren in ihren Taschen. Auch kein Messer und keine Lederstricke, mit denen sie einige Fichtenzweige zu einer notdürftigen Schleppbahre zusammenbinden konnte. Blieb nur der Enfield-Revolver, den sie ein paar Mal abfeuern konnte, aber Skaguay und Dyea lagen so weit entfernt, dass man dort die Schüsse wohl kaum gehört hätte.
    Wieder einmal musste ihr Mantel herhalten. Sie stand auf, zog ihn aus und breitete ihn auf dem Boden aus. Mit einigen Fichtenzweigen, die sie im Unterholz fand, schuf sie ein zusätzliches Polster. In ihrem Eifer spürte sie weder den lästigen Schneeregen noch den Wind, der jetzt am frühen Morgen besonders böig blies und ihren Rock und ihre Bluse aufbauschte.
    »Was hast du vor?«, fragte Dolly.
    »Eine Schleppbahre. Ich ziehe dich nach oben.«
    »Mit deinem Mantel?«
    »Der hat uns am Fluss geholfen und ist schon so ramponiert, dass es keine Rolle mehr spielt.« Sie kehrte mit einem optimistischen Lächeln zu der Engländerin zurück. »Meinst du, du schaffst die paar Schritte bis zum Mantel?«
    Dolly blickte ungläubig nach vorn. »Du willst mich auf dem Mantel den steilen Hang hochziehen? Das klappt doch nie! Ich bin viel zu schwer! Und du wirst erfrieren, wenn du dich in Rock und Bluse in den Schneeregen wagst. Lass mich lieber hier! Ich laufe nicht mehr weg, ich versprech’s dir!«
    »Lass es uns wenigstens versuchen.«
    Schon für die paar Schritte bis zum Waldrand brauchten sie über eine halbe Stunde. Dolly schrie vor Schmerz auf, als sie das rechte

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