Clarissa - Wo der Himmel brennt
Skaguay.« Sie rieb vorsichtig mit einer Hand über ihren linken Oberschenkel. »Verfluchte Schmerzen! Ich hätte gleich erkennen müssen, dass die Brücke nicht hält.«
»Das hätte jedem passieren können.«
»Dir nicht.« Dolly verlagerte ihr rechtes Bein, indem sie es mit beiden Händen packte und vorsichtig nach rechts schob, vermochte aber nicht die Schmerzen zu lindern. Sie stöhnte. »Du kennst dich in der Wildnis aus, was?«
»Ich bin mit einem Fallensteller verheiratet«, erwiderte sie. »Ich lebe schon seit zwei Jahren im Busch. Da lernt man einiges.«
»Mit einem Fallensteller? Einem … einem Trapper?« Dolly war so erstaunt, dass sie für einen Moment ihre Schmerzen vergaß. »Ich dachte, du kommst aus Vancouver. Hast du nicht gesagt, dein Vater wäre Fischer gewesen?«
»Das ist eine lange Geschichte.« Clarissa setzte sich neben Dolly auf einen umgestürzten Baumstamm. Sie war froh über die unfreiwillige Pause und die Gelegenheit, sich nach der anstrengenden Rettungsaktion ausruhen zu dürfen. Die ausladenden Äste und Zweige der Bäume schützten sie vor dem Schneeregen, der etwas nachgelassen hatte, sie aber immer noch beim Laufen behinderte. »Mir ging es ähnlich wie dir, nur dass ich nach dem Tod meiner Eltern als Haushälterin gearbeitet habe, bei einer reichen Familie in Vancouver …«
Clarissa erzählte der Engländerin die ganze Geschichte. Mit so knappen Worten wie möglich schilderte sie, wie Frank Whittler sie belästigt und ihr ein Verbrechen in die Schuhe geschoben hatte, das sie gar nicht begangen hatte, wie sie vor ihm in die Wildnis geflohen war und Alex kennengelernt und nach einer monatelangen Verfolgungsjagd geglaubt hatte, Whittler endgültig abgeschüttelt zu haben. Und wie der rachsüchtige Millionärssohn einen Tag nach ihrer Hochzeit mit einer neuen Anklage in ihrer Nähe aufgetaucht war und sie es mit letzter Kraft an Bord der S.S. California geschafft hatte.
Mit feuchten Augen berichtete sie, wie Alex verschwunden war, sie verzweifelt nach ihm gesucht und einen seiner Stiefel an der Küste gefunden hatte, und dass sie noch immer nicht wusste, ob er noch am Leben war und jemals ihren Brief lesen und ihr nach Skaguay folgen würde. Sie verschwieg nur Bones, verriet auch nicht, wie sie der geheimnisvolle Wolf über den vereisten Hang zum Flussufer geführt hatte. Selbst wenn die gelben Augen nur in ihrer Einbildung aufgetaucht waren, hatte der geheimnisvolle Wolf einen entscheidenden Anteil an ihrer Rettung. Stattdessen sagte sie: »Der Hang ist so steil, dass ich gar nicht anders konnte, als dir zum Fluss zu folgen. Die Hälfte der Strecke bin ich gerutscht, und als ich unten war, habe ich dich um Hilfe schreien hören.«
Clarissas eher nüchterne Schilderung täuschte nicht darüber hinweg, wie aufregend ihr Leben auf der beschwerlichen Flucht vor Frank Whittler gewesen war, und welches Glück sie gehabt hatte, einem Mann wie Alex Carmack in die Arme zu laufen. Wie sehr ihr sein Verschwinden zu schaffen machte, zeigten die Tränen, die ihr plötzlich über die Wangen liefen. Als Dolly sie zu trösten versuchte und ihr die Tränen vom Gesicht wischte, lachte und weinte sie zugleich. »Und ich dachte, du wärst die Frau, die Trost und Hilfe braucht.«
Sie lachten und weinten beide und fassten sich an den Händen. Gegenseitig machten sie sich Mut, indem sie einander in die Augen sahen und wortlos versprachen, der anderen in ihrem Schmerz zu helfen. In diesem wertvollen Augenblick hatte Clarissa das Gefühl, eine echte Freundin gefunden zu haben, vielleicht die erste in ihrem Leben. Eine Partnerin, die selbst in ihrem Schmerz noch Mitgefühl für eine andere empfand. Sie löste sich von ihr und rieb sich lachend die Tränen aus den Augen. »Wir schaffen das«, entschied sie.
»Wir schaffen das«, wiederholte Dolly. Es klang wie ein Schwur.
Clarissa zog ihre neue Freundin vom Boden hoch, langsam und behutsam, um ihr so wenig Schmerzen wie möglich zu bereiten, und konnte doch nicht verhindern, dass Dolly laut aufschrie und sich so fest auf ihre Schultern stützte, dass sie beinahe in die Knie ging und sie beide gestürzt wären. Clarissa stolperte einen Schritt nach hinten, prallte glücklicherweise gegen einen Baum und hielt Dolly mit beiden Händen fest, bis der Schmerz einigermaßen nachließ.
»Mein rechtes Knie!«, stöhnte Dolly. Im schwachen Licht, das der Schnee reflektierte, wirkte ihr Gesicht noch blasser. »Irgendwas stimmt nicht. Wenn ich auftrete, tut
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