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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Bein mit dem lädierten Knie zu stark belastete, und schaffte es auch nicht mehr, mit dem linken Bein aufzutreten. Nach zwei Schritten sank sie weinend zu Boden und verfluchte ihre Dummheit, allein in den Wald gerannt zu sein. Der Gedanke an ihren Mann, der jetzt irgendwo in Skaguay auf einem Tisch oder in einer Kiste lag, ließ sie erneut die Nerven verlieren und heftig schluchzen.
    Clarissa wartete geduldig, bis sie sich einigermaßen erholt hatte, und zog sie an den Armen zu der provisorischen Schlepptrage. Sie hob ihren Oberkörper auf die Unterlage aus Fichtennadeln und beugte sich zu ihr hinunter. »Das wird jetzt ein bisschen wehtun, Dolly.« Sie schob vorsichtig beide Arme unter ihre Beine und legte sie ebenfalls auf den Mantel. Dolly verzog das Gesicht und atmete tief durch, bis der Schmerz zurückging, und sie wieder einigermaßen klar denken konnte. »Mann!«, schimpfte sie.
    »Halt dich gut fest!«, bat Clarissa sie zum zweiten Mal in dieser Nacht. Sie packte den Mantel am Kragen und zog ihn zuerst mit einer und dann mit zwei Händen auf den vereisten Hang. Es war ein wahnwitziges Unternehmen, auf das sie sich eingelassen hatte, sie würde es niemals schaffen. Schnaufend und ächzend, den böigen Wind in den ungeschützten Kleidern, schleppte sie den Mantel über den verharschten Schnee, rutschte nach wenigen Schritten aus und stieß so fest mit ihrer linken Hand gegen einen Baumstumpf, dass sie zu bluten begann. Fluchend sank sie zu Boden und kam neben Dolly zu liegen, blickte in ihr zweifelndes Gesicht und versuchte es noch einmal, zerrte mit aller Kraft und kam doch nur zwei Schritte weit.
    »So geht es nicht!«, rief Dolly von der Schleppbahre. »Bring mich in den Wald zurück, und geh allein! Keine Angst, ich komm sowieso nicht vom Fleck, und wenn ein Bär kommt, hab ich wenigstens was zum Kuscheln.«
    Clarissa bewunderte den Humor ihrer Freundin, die ihre Panik schon jetzt zu überwunden haben schien und tapfer ihren Schmerz ertrug. Jede Bewegung auf dem vereisten Hang musste ihr höllisch zu schaffen machen, und den Schicksalsschlag, den geliebten Mann nur wenige Tage nach der Hochzeit auf diese grausame Weise zu verlieren, hätte so manche andere Frau noch verzweifelter reagieren lassen. Der Gedanke, ihrem Alex könnte etwas ähnlich Furchtbares passiert sein, ließ sie den eisigen Wind noch heftiger spüren.
    »Es muss eine Möglichkeit geben, hier wegzukommen«, erwiderte Clarissa, als sie mit der Engländerin unter die Bäume zurückkehrte. »Am Flussufer gibt es sicher einen anderen Trail. Ist vielleicht ein kleiner Umweg, aber …«
    »Klein? Und wie willst du über die Felsen kommen?« Dolly stemmte sich ächzend auf die Ellbogen und blickte sie aus geröteten Augen an. »Hast du nicht gesehen, wie steil das Ufer an manchen Stellen ist? Lass mich hier liegen, Clarissa! Zieh deinen Mantel und geh endlich! Ich vertreib mir die Zeit mit Singen, das konnte ich schon in der Schule. »Away, away, come away with me …«, begann sie mit einem irischen Volkslied, das ihr wohl Luther beigebracht hatte. »Worauf wartest du noch, Clarissa? Ich habe es bequem hier.«
    Clarissa gehorchte widerwillig und zog sachte ihren Mantel unter der verletzten Engländerin hervor, schüttelte ihn kräftig aus und schlüpfte hinein. Sie würde ihn ausgiebig waschen und gründlich trocknen müssen, bevor sie sich damit wieder unter Leute wagen konnte. Auch der Rock und die Bluse hatten unter ihren Anstrengungen gelitten. Mit ihrer Wildnis-Kleidung wäre sie bei der Rettungsaktion besser dran gewesen, aber woher hätte sie denn wissen sollen, dass Dolly in die Wälder floh und am Flussufer in Lebensgefahr geriet?
    Sie wärmte ihre Hände in den Manteltaschen, fühlte den Revolver und dachte gerade daran, ihn bei Dolly zurückzulassen, als ihr ein leises Knacken verriet, dass sie nicht allein waren. Sie legte rasch einen Finger auf den Mund und bedeutete der Engländerin mit einem strengen Blick, sich nicht zu rühren.
    Wieder schloss sich ihre Rechte um den Revolver in ihrer Manteltasche. Das Geräusch konnte vieles bedeuten, ein Elch oder irgendein anderes Tier, das sich im Unterholz herumtrieb, ein Bär, der zeitig aus seinem Winterschlaf erwacht war und sich auf Nahrungssuche begab, ein Ast, der von einem der Bäume abgebrochen war. Oder der Mann, der Luther umgebracht hatte und sichergehen wollte, dass sie ihm nicht auf die Spur kamen. War Soapy Smith skrupellos genug, um ungeliebte und lästige Frauen auf diese

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