Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
mich nicht in eine solche Situation, Mr Lightwood.«
Gideon, der seine Hand angehoben hatte, ließ sie entmutigt sinken.
Er wirkte so kläglich, dass Sophie das Herz schmolz. Ich könnte alles verlieren, wenn ich mich darauf einlasse … Und was hat er schon zu verlieren? Nichts, ermahnte sie sich. Diese Worte wiederholte sie fast gebetsmühlenartig jede Nacht, wenn sie allein in ihrem kleinen Zimmer lag und seine sturmgrünen Augen vor sich sah.
»Ich dachte, wir wären Freunde«, sagte Gideon.
»Ich kann nicht mit Ihnen befreundet sein.«
Zögernd trat er einen Schritt vor. »Und was wäre, wenn ich Sie fragen würde, ob …«
»Gideon!« Henry stand atemlos in der offenen Tür. Er trug eine seiner schrecklichen grün-orange gestreiften Westen. »Dein Bruder ist hier. Unten …«
Überrascht riss Gideon die Augen auf. »Gabriel ist hier im Institut?«
»Ja. Und er brüllt die ganze Zeit … irgendetwas über deinen Vater. Aber er will uns nichts Genaueres sagen, jedenfalls nicht, solange du nicht da bist. Also komm.«
Gideon zögerte; sein Blick wanderte von Henry zu Sophie, die sich unsichtbar zu machen versuchte. »Ich …«
»Du musst sofort kommen, Gideon.« Henry wurde nur selten laut, aber wenn, dann mit erstaunlicher Wirkung. »Gabriel ist von Kopf bis Fuß mit Blut bedeckt.«
Gideon wurde blass. Er griff nach seinem Schwert, das an einem Haken hinter der Tür hing. »Bin schon unterwegs.«
Gabriel Lightwood lehnte an der Wand in der Eingangshalle; er trug keine Jacke und sein Hemd und seine Hose waren blutgetränkt. Durch die weit geöffnete Eingangstür konnte Tessa die Kutsche der Familie Lightwood mit dem flammenartigen Wappen sehen. Sie stand direkt vor der Treppe; Gabriel musste sie selbst hierher gelenkt haben.
»Gabriel«, sagte Charlotte in ruhigem Ton, als wollte sie ein wild gewordenes Pferd besänftigen. »Gabriel, bitte sag uns, was passiert ist.«
Der junge Lightwood – groß und schlank und mit blutverklebten braunen Haaren – rieb sich gehetzt mit den Händen, die ebenfalls rot leuchteten, übers Gesicht. »Wo ist mein Bruder? Ich muss unbedingt mit meinem Bruder sprechen.«
»Er wird gleich hier sein. Ich habe Henry losgeschickt, um ihn zu holen, und Cyril beauftragt, die Institutskutsche bereit zu machen. Gabriel, bist du verwundet? Brauchst du eine Iratze?« Charlotte klang besorgt und mütterlich – als hätte dieser Junge nicht versucht, sie zu demütigen, damals in Benedict Lightwoods Bibliothek, und als hätte er sich nie mit seinem Vater gegen sie verschworen, um ihr die Leitung des Instituts zu entreißen.
»Das ist ziemlich viel Blut«, bemerkte Tessa und schob sich an Charlotte vorbei. »Gabriel, das stammt nicht alles von dir, oder?«
Gabriel schaute sie an. Es war das erste Mal, dass er keine arrogante Pose einnahm, überlegte Tessa. In seinen Augen war nur benommene Furcht – Furcht und Verwirrung. »Nein … das Blut stammt von ihnen …«
»Ihnen? Wen meinst du?« Gideon stürmte die Treppe hinunter, das Schwert in der rechten Hand. Neben ihm liefen Henry und Jem, dicht gefolgt von Will und Cecily.
Abrupt blieb Jem stehen und Tessa erkannte, dass er ihr Brautkleid sah. Er schaute sie aus großen, runden Augen an, doch die anderen drängten bereits an ihm vorbei und er wurde von ihnen mitgerissen, wie ein Blatt in der Strömung.
»Ist Vater etwas zugestoßen?«, fragte Gideon aufgeregt, als er seinen Bruder erreichte. »Bist du verwundet?« Besorgt umfasste er Gabriels Kinn und drehte es zu sich.
Obwohl Gabriel größer war, sprach aus seinem Blick eindeutig der jüngere Bruder: eine Mischung aus Erleichterung darüber, dass sein großer Bruder da war, und einem Anflug von Unmut über dessen gebieterischen Ton. »Vater …«, setzte Gabriel an. »Vater ist ein Wurm.«
Will stieß ein kurzes Lachen aus. Er trug seine Montur, als käme er direkt aus dem Fechtsaal, und seine Haare klebten feucht an den Schläfen. Er vermied jeden Blickkontakt mit Tessa, doch daran war sie inzwischen gewöhnt. Will schaute sie kaum noch an, es sei denn, es ließ sich nicht vermeiden. »Wie schön, dass du unsere Sichtweise teilst, Gabriel, aber das ist nun wirklich eine äußerst ungewöhnliche Art und Weise, dies mitzuteilen.«
Gideon warf Will einen tadelnden Blick zu, ehe er sich wieder seinem Bruder zuwandte. »Was meinst du damit, Gabriel? Was hat Vater getan?«
Doch Gabriel schüttelte nur den Kopf. »Er ist ein Wurm«, wiederholte er tonlos.
»Ich weiß. Er hat
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