Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
einen dann in Ruhe.“
Batori war still geworden. Sie fuhren eine Weile, ohne ein Wort zu sagen. Milli starrte den Himmel an. Über ihnen war ein riesiges X aus verwischten Wolkenbändern. Kreuzende Flugzeuge hatten Kondensstreifen hinterlassen, die sich langsam auflösten.
„Vermutlich habt ihr Recht“, sagte Batori schließlich. „Und …“, er hüstelte in seine Hand, „glaubst du denn ernsthaft, dass dein Vater tot ist?“
Milli lächelte überlegen. Sie wusste worauf er hinaus wollte. „Nein. Ich glaube, dass irgendwas anderes passiert ist.“
Batori widersprach ihr nicht. „Um noch einmal auf diese Glaubenslehrerin zu kommen -“
„Vertrauenslehrerin“, korrigierte Milli kichernd.
„Eh - Vertrauenslehrerin. Sie war sehr gut über eure familiären Verhältnisse im Bilde, oder wie soll man das verstehen?“
„Hab ich doch gerade gesagt!“ Millis Augenbauen wanderten fragend in die Höhe. „Sie hat sich erst am Schluss für mich interessiert.“
Batori machte eine Pause und musterte Milli eindringlich. „Hattest du mitbekommen, dass eine Lehrerin deine Mutter zu Hause besucht hat?“
„Was? Nein!“ Milli sah ihn erstaunt an. „Weshalb?“
„Diese Frau wollte sich ein Bild vom Zustand deiner Mutter machen. Johanna hat mir davon erzählt, und wir fanden es beide merkwürdig, dass sie so viel über eure Verhältnisse wusste“, sagte Batori ruhig.
Millis Laune verfinsterte sich. Ihr wurde jetzt einiges klar. Sie erinnerte sich an ein paar seltsame Andeutungen. Ihre Mutter hatte wissen wollen, ob sie etwas ausgeplaudert hätte.
„Etwas stimmt nicht, oder?“
„Allerdings, das denken wir auch“, erklärte Batori gelassen. „Jemand versucht euch zu schaden. Eine Frau, die sich als eure Nachbarin ausgab, war in der Schule und hat die Geschichte mit deinem Vater breitgetreten. Sie hat deine Mutter aufs Korn genommen. Die üblichen Verleumdungen: Alkoholismus, Tablettenmissbrauch und Selbstmordversuch. Die Rede war von Zwangseinweisung in die Psychiatrie. Das Jugendamt hätte dich in ein Heim gesteckt oder zu Pflegeeltern gegeben.“
„Was!?“ Milli war entsetzt. „Und niemand sagt mir was!“
„Deine Mutter schämt sich und wollte dich nicht belasten.“
„So ein Quatsch! Sie belastet mich mit allem … und ununterbrochen!“
Batori wartete, bis Milli sich wieder beruhigt hatte.
„Wir wollten abwarten, bis wir wüssten, was wir machen sollten. Da diese gesprächige Dame das Jugendamt aufgescheucht hatte und die Lage ernst wurde, habe ich dann das vorläufige Sorgerecht für dich beantragt. Und vor einer Woche habe ich es erhalten.“
Millis Mund klappte auf - sprachlos starrte sie Batori an. Das Sorgerecht? Batori sollte die Rolle ihres Vaters einnehmen? Das war absurd! Sie hatte doch schon einen. Batori war ihr Onkel – genau genommen ihr Großonkel. In Millis Schädel purzelten die Gedanken durcheinander. Andererseits - die Sache hatte auch ihr Gutes. Er würde Zeugnisse und Entschuldigungen unterschreiben. Sie müsste ihre Mutter nicht mehr mit den Schulangelegenheiten belästigen - das Gejammer würde aufhören … und Batori war eine Respektsperson; die Leute würden sie in Ruhe lassen, dafür würde er schon sorgen …
„Deine Mutter hat es nicht übers Herz gebracht, es dir zu sagen“, sprach Batori langsam weiter. „Sie macht sich Vorwürfe. Lorenz ist ein guter Anwalt - einer der besten, glaub mir, ich kenne viele - und er hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft; wir hatten keine andere Wahl. Und so sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es das sicherste ist, wenn Johanna freiwillig in eine Klinik geht und du zu mir kommst.“
Für einen Moment kam es Milli so vor, als schwebe sie über einer großen Leere. Sie versuchte die richtigen Worte zu finden und holte tief Luft.
„Na gut, wenn ihr so rummauschelt, erzähle ich nun auch mal was“, begann sie und sah ihm ernst ins Gesicht. „Mama ist gar nicht so verrückt. Ich meine, sie ist zwar komplett verrückt und auch irgendwie ziemlich daneben, aber nicht so, wie alle denken.“ Milli machte eine Pause und betrachtete ihre Hände.
Batori wartete geduldig.
„Sie meint, es wäre nicht gut, wenn die Leute wissen, dass ich von diesen Dingen weiß.“
„Soso. Und was bedeutet das praktisch?“, Batori bedachte sie mit einem kritischen Blick.
Milli verschränkte ihre Arme vor der Brust. Im Grunde sehnte sie sich danach, all den Ballast einmal abzulassen. Na gut - vielleicht nicht alles. Ein paar Dinge würde
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