Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
- den roten Anhänger hatte sie vorsorglich abgemacht. Hagen nahm ihn in die Hand und untersuchte die Kerbung.
„Geht nur mit Sicherungskarte - ist ein kompliziertes eher teures Exemplar“, sagte er ohne aufzusehen, „zu wann brauchst du ihn?“
„Möglichst schnell“, antwortete sie leise, „aber so eine Karte hab ich leider nicht.“
Nun sah er Milli neugierig an.
„Es ist -“, seufzte sie, „es ist besser, wenn niemand mitkriegt, dass ich meinen Schlüssel zum Übungsraum schon wieder verloren habe … deshalb mag ich ihn auch nicht in Koppelitz nachmachen lassen.“
„Verstehe“, sagte er und grinste breit. „Muss wohl ein bisschen illegal laufen, was?“ Er lachte donnernd und schüttelte sich. „Kein Problem – bring ich morgen vorbei – ruf dich vorher auf ’m Handy an ...“
Milli war für einen Moment sprachlos. Meinte er das jetzt ernst? Sie zog dreißig Euro aus ihrer Hosentasche und reichte sie Hagen.
„Ne - steck mal weg“, sagte er und grinste noch breiter, „würde für so einen Schlüssel auch nicht reichen … aber ich kenn da ein paar Leute, die schulden mir noch was …“
Chong hatte die Situation richtig eingeschätzt, der Verfolger fing an, sich zu langweilen. Als er ihnen wieder einmal zu ihrer geheimen, touristenfreien Badestelle am Wolgor See gefolgt war, fanden sie ihn hinterher schlafend im Gras. Zur Schule kam er ihnen schon gar nicht mehr hinterher, und abends wartete er höchstens bis elf, bevor er verschwand. Sie konnten also davon ausgehen, dass er ihnen Freitagnacht nicht in die Quere kommen würde.
Anna hatte unverschämt gute Laune. Sie war mehr mit ihrer Verkleidung als mit dem Überfall beschäftigt. Milli hatte sich breitschlagen lassen, die weißblonde Bobhaarschnitt-Perücke mit Pony zu tragen. Sie entschieden sich für Brillen, dunkle Kleidung, schmale Hosen und Turnschuhe. Wie Detektive aus alten Filmen - aber Anna meinte, das müsse so sein.
„Ich glaube, du hattest Recht mit Nouri“, plauderte sie im munteren Unterhaltungston, während sie zufrieden ihr Spiegelbild betrachtete. „Er weiß mehr über Ziggedorns Geschäfte, als er zugibt, und er fühlt sich unwohl dabei. Ich hoffe, dass es ihm hilft, wenn wir den doofen Van ausschalten.“
Milli setzte sich auf den gebogenen Metallstuhl, der neben dem Spiegel stand, und sah Anna bei ihrer Verkleidungsaktion geduldig zu. „Liebst du ihn eigentlich so richtig?“, traute sie sich dann zu fragen.
Anna stupste sich das schwarze Kunsthaar zurecht und überlegte mehrere Sekunden. „Es ist schon anders als am Anfang“, antwortete sie etwas widerwillig und lächelte, „aber er ist so unergründlich, so kompliziert … ich finde ihn toll.“
„Und was ist mit Sex?“, fragte Milli nun kurz und bündig.
„Ah! Das wolltest du wissen …“, Anna runzelte die Stirn und wiederholte leise Millis Frage, als wolle sie Zeit gewinnen, um noch einmal darüber nachdenken. „Nein - leider nein“, fuhr sie resigniert fort. „Nouri hat in Berlin so eine Art Freundin … aber ich glaube eher, er hält mich für zu jung.“
Milli nickte wie selbstverständlich, als hätte sie genau diese Antwort erwartet. „… und du hast ihm wirklich nichts von unseren Aktionen erzählt?“, drang sie weiter in Anna.
„Neiiin! Das geht gar nicht. Was würde er dann von mir denken?“
Milli sah sie verständnislos an.
„Er hat da so ein Bild von mir - das würde ich zerstören.“
„Ah - dass du ein liebes, unschuldiges blondes Mädchen bist, zu nett für diese Welt ...“
„So in etwa“, seufzte Anna.
Freitagnacht trafen sie sich um viertel vor zwölf an der Kreuzung beim Feldweg. Sie hielten eine kurze Lagebesprechung, weil sie eine Sache nicht bedacht hatten: Freitag war der Start ins Wochenende. Das schöne Wetter hatte die Leute auf die Straße gelockt, überall wurde gegrillt und gefeiert.
„Solange bei der Mondstein keine Gartenparty steigt …“, meinte Ben.
Chong sah auf die Uhr: „Wir müssen uns beeilen. Handys habt ihr dabei?“
Milli und Anna nickten.
Anna trug eine Brille aus Fensterglas mit auffällig schwarzem Rahmen und perlmuttartigen Verzierungen und Milli zu ihrer hellen Perücke mit dem langen Pony eine grüne Sonnenbrille, die ihre Sicht zwar einschränkte, aber cool aussah.
Chong warf einen letzten Blick auf das Paket auf seinem Gepäckträger. Die Waffe steckte immer noch in der karierten Fieberglastasche und war sorgfältig mit zwei Ledergürteln
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